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Wie ohne Hilfe schaffen und was passiert ohne Sonde?

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    Wie ohne Hilfe schaffen und was passiert ohne Sonde?

    Hallo,

    meine Mutter hat seit fast 3 Jahren ALS. Bei ihr begann es bulbär. Mittlerweile kann sie nur noch sehr schwer laufen und hat fast gar keine Kraft mehr. Sprechen geht gar nicht mehr und Essen ist eine Qual. Meine Schwester, meine Tante, mein Vater und ich sind die pflegenden Hauptpersonen. Es belastet uns alles sehr, weil wir immer häufiger Momente erleben, in denen wir uns machtlos fühlen und nichts machen können. Letzte Woche ist sie beim Laufen mit dem Gehwagen gestürzt während meine Schwester alleine bei ihr war und ihr das Abendessen gemacht hat. Es war ein riesen Schock aber zum Glück ist nichts schlimmeres passiert. Jetzt haben wir große Angst, dass es nochmal passiert, vor allem, weil wir nicht die Kraft besitzen, sie hochzuheben oder zu stützen. Aber sie muss ja auch mal aufstehen um aufs Klo zu gehen usw. Da wir so wenige Leute sind und alle auch arbeiten, kann immer nur einer allein bei ihr sein, was ich schon sehr gefährlich finde. Wir haben versucht mit ihr über das Thema professionelle Pflege zu sprechen, weil wir uns das alles so langsam nicht mehr zutrauen, aber sie lehnt das strikt ab. Ihre Aussage war, dass sie hofft, dass sie stirbt, bevor es soweit kommt, dass sie nicht mehr aufstehen kann. Und das wir uns alle daran gewöhnen müssen, dass es nicht besser wird. Ich finde es krass, dass sie uns das so zumutet. Wenn ich mit ihr alleine bin habe ich große Ängste, dass etwas passiert und kann gar nicht locker sein und eine schöne Zeit mit ihr verbringen. Wenn ich wüsste, dass sie von professionellen Pflegekräften rundum versorgt wäre, wäre ich viel entspannter. Wenn wirklich mal etwas passiert dann wird das ein riesen Schock für mich (und auch für meine Schwester und die anderen) und ich weiß nicht, wie ich das dann verarbeiten soll bzw. was das psychisch gesehen in mir auslöst! Ich bin ja jetzt schon ziemlich am Ende mit den Nerven, alleine schon, sie so leiden zu sehen!

    Das andere ist, dass sie auch eine Ernährung über eine Magensonde strikt ablehnt. Ich weiß nicht wie das ist, hat da jemand Erfahrung, was passiert, wenn sie nichts mehr zu sich nehmen kann und keine Sonde hat? Kommt sie dann ins Krankenhaus und wird an den Tropf gehängt? Und dann? Verhungert sie?

    Ich habe lange gezögert überhaupt etwas zu schreiben, weil es mir meistens besser geht, wenn ich die ganze Sache verdränge und nicht drüber nachdenke, aber ich habe zu viele Fragen, die mich immer öfter beschäftigen. Vielleicht kann ich mich ja hier mit jemandem austauschen, das würde mir denke ich schon sehr helfen.

    Vielen Dank schon mal!

    #2
    hallo lorelei,

    deine mutter hat sich entschieden, so entnehme ich deinem text, keinerlei lebensverlängernde massnahmen anzunehmen. das solltet ihr respektieren, so schwer es euch auch fällt. aber das heißt meiner meinung nach nicht, dass ihr eure mutter in watte packen müßt und nicht darüber mit ihr sprechen dürft, dass sie euch das zumutet, indem sie jegliche unterstützung durch einen pflegedienst ablehnt. vielleicht könnt ihr sie zu einem kompromiß überreden den pflegedienst zum duschen etc. zu holen, so könnte sie sich langsam an fremde helfer gewöhnen.

    ich nehme an, deine mutter hat schon eine pflegestufe. so wäre es jetzt auch an der zeit, einen rollstuhl zu beantragen, denn die gehfähigkeit kann sehr rasch verschwinden oder auch nicht. der verlauf ist leider nicht vorhersehbar. es ist besser die hilfsmittel jetzt zu beantragen, als abzuwarten, bis gar nichts mehr geht.

    bezüglich PEG und beatmung kann ich noch keine eigene erfahrung beisteuern, aber ich muß mich eines tages auch entscheiden, ob ich weiterleben will und mir eine PEg legen und mich beatmen lassen. deine mutter hat sich offensichtlich dagegen entschieden. das sollte sie sicherheitshalber in einer patientenverfügung niederschreiben, dass sie keine lebensverlängernden massnahmen will.

    ich hätte dich gerne getröstet, aber bei dieser krankheit entscheidet jeder patient, wie er mit ALS fertig wird. die einen finden einen weg trotz ALS dem leben zugewandt zu bleiben, die anderen nicht.

    gruß
    edith

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      #3
      Hallo Edith,

      vielen Dank für die ausführliche Antwort!

      Ich respektiere und verstehe ihre Entscheidung, dass sie die lebensverlängernden Maßnahmen ablehnt. Ich bin auch froh, dass sie das selbst entscheiden kann und nicht wir entscheiden müssen. Sie hat das in einer Patientenverfügung auch schon festgehalten. Ich frage mich nur, was eben konkret passiert, wenn sie irgendwann keine Nahrung mehr aufnehmen kann oder keine Luft mehr bekommt. Ich würde an ihrer Stelle wissen wollen, was da auf mich zukommt. Vielleicht sollten wir das beim nächsten Kontrolltermin mit dem Arzt besprechen.

      Sobald wir mit dem Thema Hilfe von Außen anfangen, blockiert sie sofort und weint. Sie hält an dem Gedanken oder Wunsch fest, zu sterben, bevor so etwas nötig ist. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch lange so weiter gehen kann. In wenigen Monaten wird sie nicht mehr aufstehen können und keiner von uns kann sie dann stützen, halten, tragen, heben, was auch immer. Dann MUSS jemand von Außen kommen bzw. muss sie evtl. in eine geeignete Pflegeeinrichtung. Es kommen ja schon die ganzen Therapeuten von der Krankengymnastik, Ergo und Logo zu ihr nach Hause, das sind ja so gesehen auch Fremde. Ich verstehe nicht, warum sie sich dagegen so sehr wehrt. Mich stört am meisten dieses Verpflichtungsgefühl, dass man halt hingehen muss, weil etwas getan werden muss. Und dann noch die Angst, dass etwas passiert. Ich finde es auch so schade, dass durch diesen Zeitaufwand wir sogut wie nie alle zusammen mal bei ihr sein können, so wie früher. Ich sehe meine Schwester und meinen Vater fast gar nicht mehr, weil wir uns immer abwechseln und einteilen müssen. Irgendwie könnte man die letzte Zeit mit ihr viel schöner gestalten... Aber ich fürchte, wir müssen uns wohl so durchschlagen.

      Sie hat momentan Pflegestufe 2 und lange dauert es bis zur 3 wohl nicht mehr. Rollstuhl hat sie schon, im Moment ist der Antrag für einen Elektroantrieb in Arbeit.

      Diese Krankheit hat auf jeden Fall viel in mir bewirkt und bewegt und ich hoffe, dass es irgendwann einmal eine Heilung geben wird.

      Ich wünsche dir alles Gute.

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        #4
        Liebe Lorelei,

        ihr seid in einer wirklich schwierigen Situation. Auch ich habe genaue Vorstellungen, was ich akzeptieren kann und was ich nicht ertragen will. Das setze ich auch durch, aber nur solange ich damit niemanden bedrohe oder verletze. Die PEG und Beatmung sollte ihre Entscheidung sein und bleiben, sie muss auch mit den Konsequenzen leben. Ihr müsst sowieso loslassen - entweder früher oder ein bisschen später.

        Die Ablehnung der professionellen Pflege betrifft aber nicht in erster Linie sie selbst, sondern erstmal euch. Ich würde sie eindeutig aufklären und ihr sagen, dass ihr die Verantwortung nicht mehr übernehmen könnt. Leider reicht eine Pflegestufe 2 nicht für allzu viel Pflege, besonders keine 24-Stundenpflege. Dazu muss es ihr um einiges schlechter gehen und sie muss vollkommen hilflos oder beatmet sein. Dazu ein Link:


        Was passiert ohne Nahrung? Nun man verhungert. Das ist recht unangenehm und sie wird starke Schmerz- und Beruhigungsmittel brauchen. Das solltet ihr schon vorbereitend organisieren, entweder mit einem kompetenten Hausarzt oder mit einem Palliativdienst. Die gibt es inzwischen immer mehr. Das gleiche gilt mit der Beatmung. Ich habe mich für die PEG entschieden und hatte damit noch sechs für mich lebenswerte Jahre. Invasive Beatmung habe ich auch abgelehnt. 12 Jahre überlebt, aber es wird immer härter und grenzwertiger. Ich verstehe deine Mutter...

        Liebe Grüße,

        Petra

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          #5
          ps

          Hallo nochmal,

          ich habe vergessen: ins Krankenhaus wird sie wohl nicht kommen, höchstens ganz zum Schluss. Es wird sich aber eine Weile hinziehen, es geht ja immer noch ein bisschen. Sie wird aber auch keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen können. Ein Krankenhaus würde wahrscheinlich einen Tropf legen, aber sie will ja sterben. Sie braucht dann vor allem Mittel, die ihr die Situation erleichtern (Morphin und Beruhigungsmittel), die man daheim als Pflaster oder Tropfen geben kann. Sie muss aber spätestens dann professionelle Hilfe akzeptieren - oder in ein Hospiz gehen.

          Grüße,

          Petra

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            #6
            Hallo Lorelei,

            ich möchte speziell auf deine Frage eingehen, was passiert wenn man eine PEG ablehnt.
            Genau diese Frage hatte ich meinem Neurologen gestellt. Er meinte, dass wahrscheinlich zuerst das Gehirn seine Dienste verweigert und dann die Nieren. Man verhungert nicht, man verdurstet. Ob das schmerzfrei abläuft wüsste er auch nicht so genau.
            Ich würde es aber an eurer Stelle nicht darauf ankommen lassen und entweder einen Palliativdienst konsultieren oder gleich ins Hospiz gehen.
            Ich wünsche euch jedenfalls viel Kraft für die kommende Zeit.

            Gruß Willy

            Kommentar


              #7
              Hallo Petra,

              auch dir vielen Dank für die ausführliche Antwort. Es ist gut auch mal die Sichtweisen von anderen Betroffenen zu erfahren, bisher kannte ich nur die meiner Mutter. Ich habe großen Respekt davor und finde es bewundernswert wie offen darüber gesprochen wird. Vielen Dank dafür!

              Ich schätze mal, dass sie als nächstes irgendwann nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen kann. Ab diesem Zeitpunkt können wir die notwendige Pflege nicht mehr leisten und es muss Hilfe her, in irgendeiner Form. Da kann sie sich dann wirklich nicht mehr dagegen wehren. Bis dahin müssen wir es so gut es geht durchziehen. Ich werde mich wohl auch um eine Seelsorge kümmern müssen, denn ich möchte nicht daran zerbrechen.

              Der Tipp mit dem Palliativdienst ist sehr gut, das wird sie auch so wollen. Ich glaube auch das schönste für sie ist, bis zum Schluss zu Hause zu sein. Ich hoffe, wir können das so umsetzen. Ich mag mir noch gar nicht vorstellen wie das sein wird. Es bricht mir das Herz...

              Ich wünsche dir alles Gute!

              Kommentar


                #8
                Hallo Willy, danke für deine Antwort. Ich denke wir werden uns auf jeden Fall um einen Palliativdienst kümmern, damit es so schmerzfrei wie möglich wird... Ein Hospiz wird sie denke ich sicher ablehnen.

                Kommentar


                  #9
                  Hallo Lorelai,

                  meine Gedanken zu deinem Thema,

                  eine andere Möglichkeit für deine Mama ist, dass sie eine "nichtinvasive Beatmung = Maskenbeatmung" ausprobiert und auch eine Magensonde legen lässt .
                  Es ist ohne körperlichen Eingriff (Maskenbeatmung = nichtinvasiv) oder ein relativ einfacher operativer Eingriff (Sonde).
                  Sie könnte das Leben mit diesen Hilfen probieren.

                  Wenn deine Mama das Leben mit diesen Hilfen (Sonde u. nichtinvasive Beatmung) kennengelernt hat, hat sie doch jederzeit die freie Wahl diese Hilfen wieder abzustellen und den "schnellen Weg" zu gehen.

                  Aber warum will sie etwas ablehnen ohne sich und ihrer Familie vorher die Chance zu geben für das Weiterleben.
                  Klar, die Muskeln werden sich weiter "verabschieden", aber es kann doch eine gehörige Weile mit einer auch lebenswerten Zeit sein.

                  Es gibt einige Menschen (hier im Forum oder über deren Homepage zu sprechen), die sicher gerne ihre Erfahrungen mit diesen Hilfsmitteln deiner Mama berichten.
                  Mein Mann hat z.Zt. die nichtinvasive Beatmung und eine Magensonde (seid 3 Wochen). Und es ist für ihn eine positive Hilfe. Ob er die invasive Beatmung will, hat er noch nicht entschieden.


                  Wenn man auf Homepages von Betroffenen sucht oder hier auch im Forum sind auch diese Erfahrungen zu finden (z.B. Angela Jansen, Heike Hermanns - kleiner Bericht bei Sandra Schadecks Homepage).

                  Deine Mama kann sich auch mal darüber Gedanken machen, dass es schon Kleinkinder und Babys gibt, die diese Hilfsmittel nutzen (müssen) und damit leben und sich auch ihres kleinen Lebens erfreuen (guck mal: http://www.intensivkinder.de/ oder: www.sondenkinder.de) - die Kinder hatten häufig nie eine andere Welt erleben können und geben sich nicht freiwillig so schnell auf).
                  Das alles ist auch überlegenswert.

                  Alles wichtige ist aber unbedingt auch mit einem ALS-kundigen Arzt zu besprechen! Nur diese können qualifizierte Antworten geben (z.B. in einer ALS-Ambulanz).

                  Alles Liebe

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                    #10
                    Wie schon andere Kommentatoren geschrieben haben, ist gründliche Aufklärung die wichtigste Voraussetzung für eine Entscheidung über Weiterleben wollen oder nicht. In unserer Umgebung gibt es zwei extreme Beispiele: Meine Frau hat sich für das erstere entschieden. Dementsprechend wird sie invasiv beatmet, über PEG ernährt und sie kommuniziert über Sprachcomputer. Eine Freundin, die noch selbständig atmen und essen konnte, entschied sich dafür, nicht so leben zu wollen wie meine Frau und stellte die Nahrungsaufnahme ein (unter ärztlicher Betreuung). Nach kurzer Zeit ist sie ohne großes körperliches Leiden gestorben.
                    Diese Entscheidung kann Deiner Mutter letztlich niemand abnehmen, wenn sie geistig noch fit ist (wovon ich ausgehe).
                    Auf keinen Fall solltet Ihr Angehörigen Euch bis zur Selbstaufgabe aufopfern. Es nützt niemand, wenn Ihr Euch selbst ruiniert! In der Bibel steht ja schließlich nicht: "Liebe Deinen Nächsten mehr als Dich selbst", sondern "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst"!

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                      #11
                      Vielen Dank für eure Rückmeldungen! Man fühlt sich dadurch immer ein Stück weit weniger allein.
                      Ein negatives Ereignis hat uns jetzt ereilt. Mein Vater musste gestern ins Krankenhaus weil er kurz vor einem Herzinfarkt steht. Das hat uns alle natürlich sehr geschockt aber war wohl auch abzusehen! Ist klar, dass man irgendwann mal nicht mehr kann und er war schon vorbelastet. Jetzt ist meine Tante rund um die Uhr bei meiner Mutter... Keine Ahnung, was wir ohne sie gemacht hätten. Aber sie kann ja auch nicht rund um die Uhr bei ihr sein und nachts sollte sie eigentlich nicht allein sein. Wahrscheinlich muss mein Vater auch auf Kur und jeder zusätzliche Stress ist für ihn Gift. Heute Abend werde ich endlich mal wieder zusammen mit meiner Schwester bei ihr sein und dann muss besprochen werden wie es weiter geht. Vielleicht sieht sie selbst ein, dass wir es nicht mehr schaffen. Ich selbst habe mich jetzt um psychologische Unterstützung gekümmert, aber wer weiß wann genau ich konkret anfangen kann.
                      Ich merke wie ich kurz davor stehe in ein Loch zu fallen... Aber das darf nicht passieren.

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                        #12
                        Hallo Lorelei !
                        schick deine Mama doch mit in Kur ! Zur Not als Selbstzahler. Ist auch nicht teurer als ein Urlaub. Viele Kurkliniken haben so Gesundheitswochen im Angebot, erkundige dich mal. Die Anwendungen müsst ihr nicht selbst zahlen, einfach ein Rezept vom Hausarzt mitnehmen. Dort wird sie dann von Fremden versorgt und wer weiss, vielleicht findet sie es ja garnicht so schlimm. Noch ein Vorteil : ihr hättet mal Zeit zum Durchatmen !
                        LG Stefanie

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                          #13
                          Liebe Lorelai,

                          gut, dass Du Dich um psychologische Unterstützung bemühst. Das wird Dir ganz bestimmt helfen.

                          Ich würde mich in dieser akuten Situation, grade jetzt, wo Dein Vater noch ins Krankenhaus gekommen ist, erst mal entweder an den Sozialdienst im Krankenhaus oder an die örtliche Pflegeberatung werden. Das sind Profis, die Euch da unterstützen können.
                          Alles, was Ihr jetzt durchmacht, erleben andere Familien in solchen Situationen genauso. Ihr müßt und dürft lernen, Hilfe anzunehmen. Und die Hilfe gibt es. Ich schaffe es auch nicht ohne solche Hilfe.

                          Noch ein zweiter Gedanke:
                          Bei uns ist das inzwischen auch so, dass mein Mann nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen kann.
                          Aber dafür haben wir einen Lifter: Der Patient bekommt einen Gurt umgeschnallt, dieser wird in dem Hebelarm des Lifters eingehängt, und dann geht das Heben elektrisch auf Knopfdruck und schont Eure Bandscheiben. Nähere Infos über empfehlenswerte Modelle gibt es hier im Forum.
                          Sofern Deine Mutter nicht federleicht ist und noch weiter zu Hause gepflegt werden soll, braucht Ihr unbedingt einen solchen Lifter. Und zwar unabhängig, von wem die Pflege gemacht wird. Unser Pflegedienst macht es auch nur noch mit dem Lifter.
                          Mein Rat: Ruft möglichst bald die Pflegeversicherung an und beantragt einen Patientenlifter. Keine Sorge, wenn sich dadurch ein Heimaufenthalt verhindern oder verzögern läßt, ist die Kasse gerne bereit, den Lifter zu bezahlen. Denn das Heim käme sie viel, viel teurer.

                          Alles Gute Euch und liebe Grüße

                          Löwenkind
                          Zuletzt geändert von Löwenkind; 29.05.2013, 00:44.

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                            #14
                            Hallo zusammen,

                            ich wollte jetzt mal, gut 10 Monate später berichten, wo wir nun angelangt sind.

                            Unsere Mutter hat einer Hilfe von Außen zugestimmt und ab Juni 2013 durfte die Diakonie dreimal täglich zur Grundversorgung, wie waschen, Toilettengänge usw. kommen. Trotzdem musste fast die ganze Zeit jemand bei ihr sein, da sie immer mehr abgebaut hat. Das hieß mein Vater war die ganze Zeit bei ihr und wenn er zur Arbeit musste (16 - 21 Uhr Mo-Sa) mussten meine Schwester und ich einspringen. Also teilten wir uns wie gehabt ein und aufgrund unserer Arbeit konnten wir meistens erst ab 17:30 Uhr bei ihr sein. Wir hofften immer, dass alles gut geht und in der Zeit, in der sie alleine war, nichts passiert. Wir wussten auch, dass das wiederum auch kein Dauerzustand sein kann. Aber so lief es Woche für Woche und es wurde immer schwieriger und belastender für uns alle. Die Diakonie kann eben nicht ständig da sein und auch nicht sofort kommen, wenn sie z. B. gerade aufs Klo muss. Der Zustand meines Vaters mit seinem Herzen besserte sich auch nicht wirklich, eher im Gegenteil. Dazu muss man auch sagen, dass er von Natur aus ein ziemlich negativ eingestellter Mensch ist. Er ist ziemlich in sich zurückgezogen und zeigt nach außen hin nicht viel. Außer seinen Gram und die überwiegend schlechte Laune. Meckern ist sein Hobby. Das war halt schon immer so und früher war es auch eher so, dass ich mit meiner Mutter die meiste Zeit zusammen verbracht habe und er eher für sich war. Dazu kommt noch, dass er nicht der leibliche Vater meiner Schwester ist, und die beiden sich nicht wirklich gut verstehen (sind auch noch beide Sturköpfe)… Das alles erschwert die ganze Situation natürlich noch mehr. Als wäre es nicht schon schwer genug.

                            Jedenfalls war es dann so weit, dass er Ende Juli wieder ins Krankenhaus musste wegen seinem Herzen und keiner wusste, was jetzt. Zufälligerweise hatte ich zu der Zeit Urlaub, also war die einzige Lösung, dass ich in der Zeit bei ihr sein würde. Das hat mich natürlich auch verunsichert, da ich Angst vor Situationen wie z. B. dem Toilettengang hatte, weil ich unmöglich die Kraft habe, sie zu stützen. Also war meine Überlegung, ihr für die Zeit, bis die Diakonie zu uns kommt, eine Windel anzulegen, da ich sie einfach unmöglich aufs Klo bringen konnte. Ich hatte ihr das auch mitgeteilt, aber wahrscheinlich ist es irgendwie an ihr vorbei gegangen, da sie völlig aus allen Wolken fiel, als die Schwester ihr morgens die Windel anlegen wollte. Ich hab ihr dann nochmal gesagt, dass ich doch mit ihr darüber gesprochen hatte, weil ich sie unmöglich aufs Klo bringen konnte, aber sie fing nur bitterlich an zu weinen und hat sich kaum beruhigt. Ich habe mich miserabel gefühlt. Ich wollte ihr doch nichts schlechtes, ich dachte auch, sie wäre damit einverstanden… Es war schlimm. Sie hat dann als die Schwester weg war von mir eine Beruhigungstablette verlangt, die sie mal verschrieben bekommen hat. Damals konnte sie noch mit Mühe und Not ein paar Happen essen. Die Tabletten wurden in Brotwürfel gesteckt. Ich habe ihr den Wunsch natürlich erfüllt, wollte ja wieder gut machen, was ich ihr „angetan“ hatte… Die Wirkung der Tablette habe ich aber überhaupt nicht umrissen. Sie wurde total „gaga“, ihre Augen sind ständig zugefallen und ihr Kopf zur Seite gesackt. Ich hatte unglaubliche Angst dass sie mir vom Stuhl fällt und sich sonst wie verletzt! Und hochbekommen hätte ich sie auch niemals! Ich war mit der ganzen Situation total überfordert und alleine! Abends wurde ich dann durch meine Schwester abgelöst und meine Tante kam dann auch aber sie war bis zum nächsten Morgen so schräg drauf. Ihr hat es natürlich getaugt, sie war wie auf Drogen und in einer anderen Welt. Aber ich hatte den Schock meines Lebens (bis zu diesem Zeitpunkt) bekommen. Ich war fix und fertig. Ich malte mir aus, was passiert wäre, wenn ihr schlimmeres durch die Tablette wiederfahren wäre, ob ich dann Schuld gewesen wäre… Es hat lange gedauert, das zu verarbeiten. Ich war froh, als mein Vater wieder daheim war und ich den restlichen Urlaub ein bisschen entspannen konnte.

                            Die Entspannung hielt aber nicht lange vor. Das Thema Nahrungsaufnahme wurde immer schwieriger. Es ging fast gar nicht mehr. Sie hatte nun mit der Entscheidung zu kämpfen, ob sie sich eine PEG legen lässt oder nicht. Es war ein harter Kampf. Und wir konnten nur irgendwie für sie da sein, denn die Entscheidung musste sie selbst treffen. Sie hat sich viele Gedanken gemacht. Sie hatte halt immer das Bild der Bettlägerigen alten Menschen, die nichts mehr verstehen, im Kopf. Von ihrer früheren Arbeit im Pflegeheim. Aber so war das ja bei ihr nicht. Sie war ja noch bei Verstand und nicht bettlägerig. Nach vielen Tränen hat sie sich dafür entschieden. Sie musste für den Eingriff einige Tage ins Krankenhaus und mein erster Gedanke war, dass sie dann dort gut versorgt sei, da sie ja in einem Krankenhaus war, wo man sich auch mit ihrem Krankheitsbild auskannte. Und mein Vater und wir anderen hatten mal eine Möglichkeit durchzuatmen… Dachte ich jedenfalls. Meine Schwester hatte von mir erwartet, dass ich mir Urlaub nehme und von früh bis spät (im Wechsel mit ihr) bei unserer Mutter im Krankenhaus bin. Ich habe daran gar nicht gedacht, da ich eben dachte, dass sie im Krankenhaus gut versorgt ist und wir eben mal durchatmen können. Sie sah das anders und ich fühlte mich wie ein Monster. Es ist seither auch schwieriger zwischen uns geworden. Unser Verhältnis ist nicht mehr das, was es mal war. Also war ich 2 Tage mit ihr im Krankenhaus und sie hat auch alles soweit gut überstanden. Als sie wieder entlassen werden sollte war sie aber völlig desorientiert und so komisch, wie damals mit der Beruhigungstablette. Ich hatte wieder große Angst und das alles wiederholte sich… Letztendlich war es dann die Nebenwirkung eines Pflasters, das ihren Speichelfluss hemmen sollte. Das war Ende August.
                            Fortsetzung folgt gleich…

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                              #15
                              Teil 2

                              … Fortsetzung:

                              Mit der Sonde kam sie dann auch ganz gut klar, sie hat es akzeptiert. Ich hatte mich schon gefreut, dass sie jetzt vielleicht die Dinge ein bisschen besser akzeptieren könnte, aber das klappt mal so und mal gar nicht. Der Abbau schritt weiter voran und die Tätigkeiten sprengten unseren Rahmen. Sie brauchte eine 24-Stunden-Betreuung. Vor allem wegen meinem Vater. Wir wandten uns an eine Pflegeberatung, die auch zu dem Schluss kam, dass das die beste Lösung sei. Wir checkten die Finanzlage und kalkulierten so, dass wir für eine gewisse Zeit (ca. 2 Jahre) eine 24-Stunden-Pflegekraft aus Rumänien finanzieren konnten. Die ist seit Ende Oktober nun hier und durch sie konnten wir uns endlich etwas entspannen und die Belastung legte sich. Sie ist wirklich ein Goldschatz und kümmert sich rührend um unsere Mutter. Wir konnten nun endlich wieder mehr qualitativ schöne Zeit mit unserer Mutter verbringen. Ich hatte auch gehofft, dass mein Vater nun endlich ein großes Stück entlastet werden würde. Aber er ist so tief in der Sache drin, kriegt das fast rund um die Uhr mit, dass er gar nichts Positives mehr sehen kann. Für ihn ist alles nur noch anstrengend. Das ist sein Charakter, das war er, und wird er immer sein. Als leibliche Tochter fühlt man sich auch leicht unter Druck gesetzt, wenn es heißt, man soll ihm doch ins Gewissen reden und ihn versuchen zu ändern. Aber wenn jemand schon über 60 Jahre ein Griesgram ist, wird er sich einfach nicht von heute auf morgen ändern, egal wer wie oft mit ihm spricht…

                              Die zeitliche und körperliche Belastung fiel für uns Kinder nun weg. Bei mir hatte nun die psychische Belastung mehr Zeit zu wirken. Und das tut sie auch. Ich kann nicht genau sagen, wie es in mir drin aussieht. Es sind ganz komische und wirre Gefühle und Gedanken. Mal falle ich in einen Abgrund, mal verdränge ich alles und lasse es nicht an mich ran. Bei ihr zu sein und ihr Leid mit ansehen zu müssen macht mich unglaublich fertig. Ich versuche zwanghaft sie auf andere Gedanken zu bringen und bin sehr angespannt. Wenn wir es geschafft haben, sie zum Lachen zu bringen erfüllt mich das mit großer Freude. Wenn sie einen schlechten Tag hat und ich ihr ansehe, dass sie nicht mehr kann, möchte ich einfach nur weglaufen.

                              Mittlerweile sitzt sie in einem Pflegestuhl. Viele Monate saß sie im Toilettenstuhl, der ja überhaupt nicht für so langes Sitzen ausgelegt ist. Aber mit diesem konnte man in der engen Wohnung am besten manövrieren und sie wollte auch nicht im Rollstuhl sitzen. Als die Umstellung auf den Pflegestuhl anstand, war das ein großes Drama. Sie hatte es völlig abgelehnt, aber es war doch eigentlich eine positive Neuerung, da sie ja so viel bequemer und schmerzfreier sitzen konnte. Es hat gedauert, bis sie das akzeptiert und eingesehen hat. So geht es eigentlich mit allen Veränderungen und Neuerungen. Sie kann nun gar nicht mehr laufen und stehen und tippen geht auch nicht mehr. Mühsam zeigt sie mit der Spitze eines Taschentuchs auf die Buchstaben auf dem Sprachcomputer. Eine Augensteuerung würde sie sicher ablehnen und bis diese genehmigt werden würde, könnte es im schlimmsten Fall schon zu spät sein.

                              Vor Wochen haben wir einen Hebelifter beantragt, viel zu spät eigentlich. Durch bürokratische Missverständnisse hat sich das alles noch mehr herausgezögert und wir warten heute noch auf den Lifter. Mein Vater kann sie bald gar nicht mehr heben, es ist eine ungeheure Kraftanstrengung, was für sein Herz natürlich Gift ist. Und schon steht das nächste Problem vor der Tür. Mein Vater müsste sich dringend einen Herzkatheter legen lassen, kann es aber aufgrund der Situation zu Hause nicht machen. Mitte April muss unsere liebe Pflegekraft für mind. 2 Wochen nach Hause fahren, da sie dann 6 Monate bei uns war und Urlaub machen muss. Unsere Mutter hat schon geäußert, dass sie Angst vor dieser Zeit hat, da dann eine Ersatzkraft kommen muss, die sich natürlich niemals so gut auskennt, wie die Dame jetzt. Unsere Überlegung war dann, dass mein Vater sich in der Zeit operieren lässt und unsere Mutter dann für diese Zeit in Kurzzeitpflege geht. Ist alles schwierig zu realisieren, er muss erstmal mit dem Arzt abklären, ob das überhaupt geht und ich glaube, wenn unsere Mutter in die Kurzzeitpflege muss, bricht für sie eine Welt zusammen. Aber das Herz meines Vaters ist eine tickende Zeitbombe und er setzt seine Gesundheit ja schon Monate aufs Spiel. Noch eine bessere Lösung wäre, wenn sie in ein Hospiz gehen könnte, was sie auch eher begrüßen würde (vermutlich). Ich sehe es kommen, dass es daheim bald gar nicht mehr geht aufgrund des Gesundheitszustands meines Vaters. Doch für ein Hospiz geht es ihr noch „zu gut“. Sie hat schon ab und an Atemnot und bekommt auch mehrmals am Tag Sauerstoff durch die Nase, aber das reicht wohl noch nicht, um die Aufnahmebedingungen zu erfüllen. Das Problem ist, wenn es daheim wirklich gar nicht mehr geht, und sie im Hospiz abgelehnt wird, muss sie in ein Pflegeheim und das wäre das Schlimmste. Dort bekommt sie wahrscheinlich nicht die nötige Pflege, die sie braucht, und wenn man überlegt, dass die Pflegekraft zu Hause ständig an ihrer Seite ist, ist sie im Pflegeheim verloren. Und von dort kommt sie ja auch in kein Hospiz mehr. Sie hätte es am liebsten, wenn die Pflegekraft nicht heimfahren müsste und sie auch von zu Hause nicht weg müsste. Das würden wir ihr liebend gern ermöglichen, aber mit meinem Vater steht und fällt alles. Wenn er nicht mehr kann ist es vorbei. Mir graut vor den nächsten Wochen und davor, wenn sie im schlechtesten Fall ins Heim muss. Das würde sie sehr sehr runterziehen. Ich möchte ihr so gern das Leid nehmen. Wenn ich nur irgendwie könnte…

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