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ALS - was nun? Meine persönlichen Tipps und Tricks mit der ALS klar zu kommen

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    ALS - was nun? Meine persönlichen Tipps und Tricks mit der ALS klar zu kommen

    Verehrte Kollegen,

    weil ich zu unpräzise im Umgang mit meiner Augensteuerung bin und in der Folge bald nicht mehr im Web browsen kann, hier nun alles auf einmal darüber, was ich (Tipps habe ich selber aus dem Forum, sie stellen aber nicht einen Forum Konsens dar) zum Thema ALS zu sagen habe (Zu allen Dingen, die hier nicht stehen weiß ich leider auch nichts - bitte fragt zu anderen Themen also andere hier im Forum!):

    Es ist sehr gut, sich frühzeitig mit der ALS zu beschäftigen. (viel zu früh ist allerdings auch problematisch: Siehe das Thema "Habe ich vielleicht ALS?")
    Zum einen ist es gut, weil man dann nicht droht von den ganzen Folgen der ALS überrollt zu werden. Zum anderen nimmt es die Angst vor dem Ungewissen: Man weiß, was alles kommen kann, man hat aber auch bereits recherchiert, mit welchen Optionen man dem begegnen kann.

    Die Hausaufgaben lassen sich in fünf Themenkomplexe einteilen:

    1. Beschäftigung mit den Folgen der ALS und emotionale Verarbeitung dieser Tatsachen. Insbesondere Beschäftigung damit, dass man früher oder später von der Kopfspitze bis zu den Zehen vollkommen gelähmt sein wird, man nicht mehr sprechen, schreiben oder tippen kann und deshalb per Kommunikationshilfe mit Augensteuerung kommuniziert, man nicht mehr schlucken kann und dafür eine PEG – Magensonde bekommen kann, man nicht mehr atmen kann und dafür eine Maskenbeatmung und später Trachealkanülen Beatmung per Luftröhrenschnitt bekommen kann.
    Wichtig ist, dass man sich dieses Szenario nicht wegträumt, sondern als unausweichlich akzeptiert (sobald die Diagnose gesichert ist). Gleichzeitig darf man aber auch nicht den Fehler machen, zu glauben, dies sei eine Katastrophe: Man kann sich alles so einrichten, dass das Leben mit einer ALS sehr lebenswert ist.

    2. Mit dem Tod ins Reine kommen. Es kann zügig zu Ende gehen. Man kann aber beatmet mit etwas Glück noch etliche Jahre leben. Wenn man sich auf den Tod vorbereitet hat kann man die verbleibende Zeit sorgloser genießen.
    Die Methode muss natürlich der eigenen Tendenz angepasst sein: Wer an einen Gott glauben möchte, kann mit Jesus Christus ja sicherlich sehr gute Ergebnisse erzielen. Wer nicht an einen Gott glauben möchte für den lohnt es sich vielleicht einen Blick auf den Buddhismus zu werfen. Garantiert gibt es auch noch andere wirksame Methoden, sich auf den Tod vorzubereiten.

    3. Das alte Leben abwickeln (es sei denn man hat eine sehr langsame Verlaufsform und kann mit Hilfsmitteln noch länger in seinem Bürojob weiterarbeiten):
    • [*=1]Aufgabe des Jobs (Krankschreibung und Berentung - zur Taktik vorher im Forum informieren, geordnete Übergabe der Arbeit an Kollegen, Einarbeitung des Nachfolgers)
      [*=1]Neuordnung des Familienlebens
      [*=1]geordnete Übergabe ehrenamtlicher Tätigkeiten
      [*=1]Auflösung oder Übergabe des eigenen Unternehmens (mit Finanzamt, Gläubigern und Geschäftspartnern ins reine kommen)
      [*=1]Wohnungsauflösung, etc

    Es ist wichtig, das alte Leben rechtzeitig geordnet abzuwickeln, weil nichts schlimmer ist bei ALS, als wenn man noch mehr machen muss, als man noch machen kann. Die Welt einfach abzuschneiden nach dem Motto "Ich habe ALS, ihr könnt mich alle mal" kann und wird nicht funktionieren: Die alten Verpflichtungen werden einen später einholen - dann, wenn man es noch weniger gebrauchen kann!

    4. Das neue Leben organisatorisch vorbereiten:
    • Rilutek (Riluzol) frühestmöglich
    • Physio-, Ergo-, Logotherapie
    • Berentung oder Sozialhilfe
    • Einzug ins Pflegeheim (mit Möglichkeit zur Beatmung, damit man später nicht wechseln muss) oder bei Verwandten,
    • Schwerbehindertenausweis mit Zusatzmerkmalen (a)G, B, H
    • Pflegestufe
    • Zuzahlungsbefreiung bei Krankenkasse
    • Baukosten Zuschuss
    • Hilfsmittel (wie u.a. Elektrischer Rollstuhl mit allen Schikanen, Kommunikationshilfe mit Augensteuerung, Aufstehbett, Dusch-WC, Motomed, Patienten-Lifter, Wechseldruck Matratze, Hustenassistent)
    • sogenannte "Alltagshilfen" (kleine Hilfsmittel, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden)
    • ambulanter Pflegedienst
    • 24h Pflegedienst
    • falls keine Beatmung evtl Hospiz aussuchen
    • Testament (notariell oder handschriftlich)
    • Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung (evtl notariell), Bankvollmacht (Formular der Bank), Patientenverfügung
    Dies ist nur eine Stichwortsammlung - aber mit diesen Stichworten munitioniert weiß man wenigstens, zu welchen Themen man recherchieren muss.

    5. Eine realistische Beschäftigung für das neue Leben suchen.
    Ich persönlich mache vor allem buddhistische Meditation und schaue Filme. Man kann auch per Augensteuerung mit der Kindle-Software für den PC Bücher Umblättern und somit alle Bücher lesen, die man schon immer lesen wollte, und einiges mehr. Denkbar wäre auch (falls man geschickt mit der Augensteuerung umgehen kann) Fachbücher zum eigenen Steckenpferd-Thema zu lesen und dann die jeweiligen Wikipedia Seiten zum Thema zu verbessern: So hätte man nicht nur sein eigenes Steckenpferd geritten, sondern auch etwas getan, wovon Andere profitieren. Oder Marcel Reich-Ranicki spielen und Romane und Spielfilme per Kommentar bei Amazon und Co rezensieren.
    Wichtig: Es muss eine Beschäftigung sein die Spaß macht, sinnvoll erscheint und vollkommen selbständig nur per Augensteuerung zu erledigen ist.

    Die Punkte 2-5 sind jeweils von Person zu Person unterschiedlich und situationsabhängig zu gestalten. Ich denke aber, dass jeder ALS–Patient alle diese fünf Punkte sorgfältig und frühzeitig abarbeiten sollte, ansonsten droht einem von der ALS auf dem Weg eine blutige Nase verpasst zu bekommen. Die ALS ist streng (man kann sie sich nicht wegträumen), aber berechenbar (im Gegensatz zur Multiplen Sklerose - einer Wundertüten Krankheit mit Überraschungseffekten) und handhabbar (im Gegensatz zu Ebola - eine Krankheit, die nichts außer reinem Leid generiert).

    ALS - Ärzte
    , die ich persönlich ohne Einschränkungen bedenkenlos und reinen Herzens empfehlen kann:
    1. Neurologie der Schlosspark Klinik in Berlin (Diagnose).
    2. Dr Schröer von der neurologischen Praxis am Lietzensee in Berlin (zweite Meinung).
    3. ALS Ambulanz von Prof Meyer der Charité in Berlin für die komplette Versorgung, was ALS angeht (bei mir alles außer Bluthochdruck). Lokale Hausärzte sind toll und unerlässlich, brauchen aber Hilfe von Kollegen, die in alle Spezialdetails eingefuchst sind.
    4. Dr Bachmann und Team in der Asklepios Klinik in Hamburg Harburg für alles, was im weitesten Sinne mit Atmung zu tun hat.

    ALS - Hilfsmittel Lieferanten und Sanitätshäuser, die ich persönlich ohne Einschränkungen bedenkenlos und reinen Herzens empfehlen kann: Keine!

    Weitere Tipps:
    1. Interessante Seiten:
    2. Alles immer möglichst früh beantragen. Hilfsmittel Beschaffung dauert länger als man denkt!
    3. Nicht alleine nur lokalen Hausärzten / lokalen Kliniken vertrauen. Gut ist zusätzlich Hilfe von drei Stellen: ALS-Forum der DGM, ALS-Spezialambulanz, Krankenhaus mit Beatmungszentrum mit ALS Erfahrung.
    4. Wenn man fortgeschrittene ALS hat, so sollte man möglichst mit einer Begleitperson und einer Kommunikationshilfe (Augensteuerung) ins Krankenhaus einreiten, ansonsten ist die Krankenhaus Pflege überfordert und der Patient leidet.
    5. Sicherheit nicht vergessen: http://forum.dgm.org/showthread.php?...nachl%E4ssigen!
    6. Chininsulfat gegen Krämpfe: http://forum.dgm.org/showthread.php?...egen-Kr%E4mpfe
    7. Computer Bedienung mit nahezu Null Kraft in den Fingern: http://forum.dgm.org/showthread.php?...in-den-Fingern
    8. Weitestgehende Autonomie für noch wandelnde Ohnarmer mit Dusch WC uvm: http://forum.dgm.org/showthread.php?...t-Dusch-WC-uvm
    9. Laufende Nase erfolgreich unter Kontrolle gebracht: http://forum.dgm.org/showthread.php?...rolle-gebracht!
    10. jährlich Grippe und alle fünf Jahre Pneumokokken Impfung
    11. Patientenverfügung: Auch die Spezialfälle der vollendeten Kommunikationsunfähigkeit und der Demenz berücksichtigen: http://forum.dgm.org/showthread.php?...8473#post78473


    Durch Beachtung der oben genannten Tipps, sowie buddhistischer Meditation geht es mir wunderbar, bin meist sehr gut drauf und freue mich des Lebens. Probleme habe ich bisher nur bekommen, wenn ich meine Hausaufgaben vernachlässigt habe oder zu wenig meditiert habe.

    Mögen wir alle frohen Herzens durch die ALS kommen!

    Allerbeste Grüße und Wünsche,
    Peter
    Zuletzt geändert von peterw; 28.11.2015, 20:39.
    ALS - was nun? Meine persönlichen Tipps und Tricks mit der ALS klar zu kommen.
    Offen für Buddhismus? Mögliche Freizeitbeschäftigung: Buddhistische Meditation
    Buchtipp: Von Tod und Wiedergeburt von Lama Ole Nydahl, auch als Kindle-Edition, zum Lesen am PC mit den Lese-Apps.

    #2
    Hallo Peter,
    erstmal herzlichen Glückwunsch und meinen Respekt, dass Du Dein Schicksal so erfolgreich meisterst! Außerdem vielen Dank, dass Du mit Deinen Forums-Beiträgen vielen Betroffenen eine große Hilfe bist.
    Zwei Ergänzungen zu Deiner wirklich hervorragenden Aufzählung der wichtigen Punkte:
    1. Zum Thema "... Testament, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung...." würde ich noch die Betreuungsverfügung nennen. Am besten man integriert sie in die Vorsorgevollmacht. Sehr empfehlenswert ist, einen Notar damit zu beauftragen, weil es z.B. Banken gibt, die nicht notariell beglaubigte Verfügungen glatt ablehnen.
    Die Betreuungsverfügung ist wichtig für den Fall, dass man nicht mehr selbst entscheiden kann (sie gilt erst von dem Moment an, im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht, die sofort gilt). Ohne Betreuungsverfügung kann einem leicht vom Betreuungsgericht ein amtlich bestellter Betreuer vor die Nase gesetzt werden, der alle möglichen Interessen vertritt, aber nicht unbedingt die des Betreuten (so und so oft die eigenen; er oder sie verdient ja daran).
    Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Gerichte automatisch einen nahen Angehörigen auswählen. Ich kenne einen Fall, bei dem der Ehemann nach dem Schlaganfall seiner Frau erst nach langem Hickhack an ihr Konto gekommen ist.
    2. Deine Abneigung gegen Hausärzte kann ich nicht ganz nachvollziehen; Du hast offensichtlich schlechte Erfahrungen gemacht. Unsere Hausärztin wusste anfangs natürlich auch nichts über ALS, sie hat aber dazu gelernt und betreut meine Frau inzwischen zu unserer vollen Zufriedenheit.

    Alles Gute!
    Zuletzt geändert von Blauracke; 20.10.2015, 10:00.

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      #3
      Hallo Blauracke,
      Danke Dir sehr!
      Änderungen eingepflegt:
      1. Betreuungsverfügung hatte ich vergessen. Notariell kann notwendig sein. Vielleicht kommt man an den Notargebühren vorbei, indem man bei der Bank eine Vollmacht auf deren Bankformular ausfüllt da muss Jeder bei eigener Bank nachfragen
      2. Du hast recht! War viel radikaler formuliert als ich es gemeint hatte. Ich meinte mehr: Hausarzt mit Detailfragen nicht überstrapazieren - hat ja auch noch andere Patienten. Man sollte sich als Patient nicht zurücklehnen und alle Recherchen auf den Hausarzt abwälzen.

      Danke für Hinweise! Dir und Deiner Frau auch alles Gute! Ihr zwei macht das super!
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        #4
        Kommunikation auch wenn Augensteuerung nicht funktioniert mit Fußmaus (Falls die Füße noch ein wenig wollen): http://forum.dgm.org/showthread.php?...-mit-Fu%DFmaus!
        ALS - was nun? Meine persönlichen Tipps und Tricks mit der ALS klar zu kommen.
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          #5
          Hallo PeterW!
          Ich heiße Ursula, bei mir wurde vor knapp zwei Jahren erst ALS und nach dem zunächst langsamen Verlauf das Flail Arm Syndrom diagnostiziert.
          Dein Beitrag hat mich sehr beeindruckt und wieder wach gerüttelt, mich auf den Hosenboden zu setzen, nachdem ich ein behördliches Päuschen eingelegt hatte. What ever..... die Mühlen mahlen seeeeehr langsam, wenn man was braucht...... ich will und muss mich kümmern, so lange ich dazu in der Lage bin. Deshalb bin ich sehr froh und dankbar über alle Impulse, Tipps und Ideen!
          Wie geht es Dir? Dein genialer Beitrag ist schon eine Weile her. Du scheinst schon einiges erlebt zu haben.
          Liebe Grüße
          Ursula

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            #6
            Hallo Ursula
            Peter weilt nicht mehr unter uns. Seine tollen Beiträge fehlen uns sehr.
            Kümmer Dich zeitig die Mühlen der Krankenkassen mahlen gaaanz langsam!

            LG Heiner

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              #7
              Hallo Heiner!
              Danke für Deine Info, ich habe das fast schon befürchtet...... sorry. Hoffentlich bin ich als Neuling hier im Forum nicht gleich in das erste Fettnäpfchen gestappt......

              Zu mir: bei mir wurde nach ALS jetzt die denkbar "günstigste" Form von ALS, das Flail Arm Syndrom, diagnostiziert. Trotzdem ist auch das ziemlich sch..... Meinen linken Arm "schleppe" ich nur noch mit, der rechte Arm ist schon sehr schwach. Der Spruch, keine Arme, keine Keks bewahrheitet sich ziemlich direkt.....

              Ich bin auf der Suche nach Gleich- oder Ähnlichgesinnten, wie andere damit umgehen, körperlich, psychisch, im täglichen Umgang.
              Des Weiteren der Kampf ums Existieren mit unseren Ämtern und Behörden usw., als ob man mit sich selbst nicht schon genug Fantasie benötigt, beim Waschen, Anziehen, Toilette..... seufz.....

              Vielleicht bekomme ich ein paar neue Impulse und kann mit meinen bisherigen Erfahrungen auch dazu beitragen.

              Viele Grüße
              Ursula

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                #8
                Eine sehr große Hilfe ist es, Danke an Senior Mitglied Wolfgang für den Link .

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