Ankündigung

Einklappen

Einhaltung der Forenregeln und Kommunikationskultur

Liebe Forumsnutzer,

gerne stellen wir Menschen mit neuromuskulärer Erkrankung und ihren Angehörigen das DGM-Forum für Erfahrungsaustausch und gegenseitige Unterstützung zur Verfügung und bitten alle Nutzer um Einhaltung der Forenregeln: https://www.dgm-forum.org/help#foren...renregeln_text. Bitte eröffnen Sie in diesem Forum nur Themen, die tatsächlich der gegenseitigen Unterstützung von neuromuskulär Erkrankten und ihrem Umfeld dienen und achten Sie auf eine sorgfältige und achtsame Kommunikation.

Hilfreiche Informationen und Ansprechpersonen finden Sie auch auf www.dgm.org.

Ihre Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM)
Mehr anzeigen
Weniger anzeigen

PROMM: (wie) sage ich's den Kindern?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    PROMM: (wie) sage ich's den Kindern?

    Hallo liebe Mitleser,

    Ich bin 52 Jahre und noch in der Diagnostik. Laut Neurologin V.a. PROMM, meine Anamnese gibt das auch her. Meine Mutter verstarb vor 22 Jahren mit 54 J.an einer damals noch nicht verifizierbaren Muskel-/Nervenerkrankung.

    Meine ersten Symptome (Myotonie in den Händen) hatte ich Anfang 20, weitere kamen sehr langsam. Inzwischen kann ich kaum noch Treppen steigen, max. 200m laufen und die Schwäche in den Armen behindert mich massiv. Mein Mann macht einen großen Teil des Haushalts, ich sitze mehr oder weniger nutzlos herum. Meinen 400 Euro-Schreibtischjob kann ich GsD von zuhause erledigen.

    Mit meiner Geschichte komme ich einigermaßen zurecht, ich muss halt noch viele Infos haben wie es weitergeht, welche Hilfen es gibt usw. Aber was mir sehr zu schaffen macht, ist die Symptomatik meiner Tochter...

    Sie ist 23 Jahre alt und hat schon seit ihrem 16. LJ ganz massiv mit Müdigkeit und Muskelschmerzen zu tun, gestern sagte sie mir auch, dass sie unter Myotonie leidet. Nachdem sie schon bei vielen verschiedenen Fachärzten, sogar in einem Schlaflabor war, wird man ihrer Erkrankung nun wohl bei meiner Neurologin auf die Spur kommen - wenn sie sich endlich mal entschließt, einen Termin auszumachen. Sie hat nämlich langsam keine Lust mehr auf Ärzte, weil sowieso keiner etwas findet. Oder wäre es besser, wenn sie nicht zur Neurologin geht, man kann ja wohl eh nichts machen...?
    Mein 21-jähriger Sohn hat keine Symptome.

    Ich bin nun ganz verunsichert. Was sage ich meinen Kindern? Sie kriegen ja mit, dass ich gerade in den letzten Monaten ganz massiv abgebaut habe. Bisher wissen sie, dass ich eine Muskelerkrankung habe. Soll ich ihnen sagen, dass der Verdacht auf eine Erbkrankheit besteht? Mit der Option, dass meine Tochter sich in 30 Jahren in meinem Zustand sieht?

    Sorry für meine Verwirrtheit. Mit meiner eigenen Erkankung bin ich im Laufe der letzten Wochen soweit ins Reine gekommen, aber das mit meiner Tochter verunsichert mich sehr

    Diagnosen: PROMM/DM2 u. Polyneuropathie

    #2
    Hallo Marlie,

    eine Entschuldigung für dein Schreiben ist vollkommen unnötig. Schreibe, wie Du gerade kannst. Wir alle hier sind zeit- oder phasenweise mit uns selbst so beschäftigt, dass es uns die Worte raubt, oder zumindest durcheinander wirbelt.

    Ich habe deine Schreiben im Forum Ohne Diagnose mitgelesen. Da war es ja so, dass die Neurologin die Proben nach Wiesbaden geschickt hat. Ergibt sich jetzt der Verdacht auf PROMM daraus? Hast Du, bzw. die Neurologin neue Hinweise? Oder hatte die Neurologin diesen Verdacht schon einmal früher geäußert?

    Muskelerkrankungen einzuordnen ist schwierig. Die Medizinische Diagnostik hat so ihre liebe Not mit uns. Das quält alle, die Erkrankten, die Mediziner, die Krankenkassen, die Verwandten.... Am meisten quält es natürlich die Erkrankten, klar.

    Die PROMM gehört zu den multisystemischen Myotonien. Das sind nach der Nomenklatur genau zwei verschiedene. Die DM1 oder Myotone Dystrophie Curschmann- Steinert und die DM2 oder Proximale Myotone Myopathie, kurz PROMM. Beide Erkrankungen ähneln sich, die PROMM ist aber nach Lehrmeinung die im Verlauf gutartigere.
    Hier im DGM-Forum gibt es das Unterforum Forum Myotone Dystrophien. Das wäre sozusagen dein Stammforum, ist aber ganz egal, wo Du schreibst. Das ist auch erstmal verwirrend, die Unterscheidung zwischen Myotone Dystrophien und Muskeldystrophien. Hört ja alles gleich an. Schreibe also lieber irgendwo, als gar nicht.

    Deine Tochter ist 23 Jahre. Du wirst recht haben. Sie wird machen, was sie will, wann sie es will. Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass sie, wenn sie eine Muskelkrankheit haben sollte, die hat, welche auch Du hast. Das heißt, solltest Du einen positiven Befund bekommen, so wird dieser auch für sie gelten, er ist dann nur nicht für sie bestätigt (vorausgesetzt, sie hat tatsächlich eine Muskelkrankheit). Sie müsste dies dann nachholen, wenn sie irgendeine Leistung des Gesundheitswesen (was für ein Wort: Gesundheitswesen!!!) in Anspruch nehmen möchte, zB eine Reha, oder berufliche Unterstützungen. Aber darum ging es nicht in deinem Schreiben. In deinem Schreiben ging es vielmehr darum, dass Dir eine Erkrankung deiner Tochter zu schaffen macht. Und das ist natürlich die normalste Empfindung deinerseits. Jeder Vater und jede Mutter kommt mit der eigenen Erkrankung irgendwann und irgendwie schon klar. Das die Kinder aber ebenfalls erkrankt sein sollen, das ist eine offene Wunde.

    Wie stellen wir uns zu solchen Wunden? Hier im Forum taucht das Thema von Zeit zu Zeit immer wieder auf. In vielen Familien stellt sich diese Frage. Und sicher gibt es darauf keine richtige Antwort, keine Antwort im Sinne einer Problemlösung. Die Antworten hier im Forum zu dieser Frage waren unterschiedlich. Die meisten Eltern gelangen zu einer Einstellung, die die Fakten der Erkrankung insofern relativieren, als dass sie das Leben, das Genießen und Fördern der aktuellen Erfolge ihrer Kinder untermauern möchten. Stärker als zuvor.

    Es gibt auch ein Eltern- Forum hier, was aber eher spärlich genutzt wird. Wenn Du Kontakt zu Eltern mit erkrankten Kindern möchtest, kannst Du dich an die DGM- Zentrale in Freiburg wenden über: info@dgm.org oder Tel: 07665 94470
    Aber das ist jetzt vielleicht auch noch zu früh für dich. Noch steht ihr ja in der Diagnostik.

    Deine Kinder sind nun schon erwachsen. Ein offenes Gespräch mit ihnen ist möglich. Die Frage ist daher eher, ob Du für so ein Gespräch bereit bist. Ich kann mir vorstellen, was dich umtreibt, was dich hemmt. Aber ich möchte es nicht ausschreiben. Darüber hier zu schreiben anzufangen, obliegt ganz Dir.

    Ich frage nochmal ganz anders. Was meinst Du denn, was passieren würde, wenn Du das Thema vor deinen Kindern ansprichst?

    Liebe Grüße
    Guido

    Kommentar


      #3
      Hallo lieber Guido,

      danke für Deine Antwort. Ich habe mich wohl tatsächlich etwas verlaufen hier im Forum, aber beim nächsten Mal weiß ich es besser .

      Ich war noch nicht im Muskelzentrum, sondern warte noch immer darauf, dass man sich bei mir wegen eines Termins meldet. Aber vom Hausarzt habe ich mir den Brief der Neurologin geholt mit den Diagnosen Polyneuropathie und Myotonie, mit Verdacht auf PROMM. Den begründet sie wohl hauptsächlich durch meine frühe Katarakt-OP. Dass meine Schilddrüse und die Leber spezifische Blutwerte abgeben, kann meiner Meinung nach an den bestehenden eigenständigen Grunderkrankungen liegen. Naja, die Genetik wird wohl Aufschluss bringen.

      Ich habe meine Mutter auf sehr erschreckende Weise sterben sehen, darüber habe ich früher auch mal mit den Kindern gesprochen. Nicht ahnend, dass mich Ähnliches heimsuchen würde, geschweige denn die Kinder. Damals war ich mit meinem Sohn schwanger, man sagte uns Schwestern, dass die Krankheit unserer Mutter nicht genetisch, allerdings auch so selten, dass sie noch nicht beschrieben sei... Wie gesagt, das war vor 22 Jahren, inzwischen weiß man wohl mehr.

      Jedenfalls sind die beiden schon sehr hellhörig wegen meiner Muskelerkrankung.
      Ich will den Kindern durch meinen Zustand keine Angst machen und versuche, mich zusammenzureißen und meine Schwäche möglichst zu verbergen. Aber krass gesagt, wenn ich im Rolli sitze oder wie meine Mutter beatmet auf der Intensivstation liegen sollte, wird den Kindern alles klar sein. Vielleicht fühlen sie sich dann von mir betrogen? Sie werden mich auch niemals fragen, ob es ihnen möglicherweise auch mal so gehen könnte. Soll ich es ihnen auf den Kopf zusagen? Ihnen sagen, tut was ihr nur könnt um Euer Leben zu genießen, so lange es nur möglich ist?

      Mir ist bewusst, dass ich gemessen an vielen anderen hier geradezu ein "Luxusproblem" habe, das tut mir auch wirklich leid. Aber sorry, ich knabbere da einfach dran...!
      Zuletzt geändert von Marlie; 13.07.2012, 21:30.

      Diagnosen: PROMM/DM2 u. Polyneuropathie

      Kommentar


        #4
        Hallo Marlie,

        zum Schluss deines Schreibens wieder eine Entschuldigung. Warum? Und Du hast sicher auch kein Luxusproblem, sondern ein sehr ernst zu nehmenden und begründeten Zweifel. Es gibt also keinen Grund für deine letzten Sätze.

        Ob dich das Schicksal deiner Mutter heimsucht, glaube ich nicht. Alle Voraussetzungen sind andere. Gleichfalls verstehe ich deine Angst davor. Ich hätte in deiner Situation sicher die selbe Angst. Es ist aber ebenso klar festzustellen, dass sich die Angst mit deiner Zukunft beschäftigt. Du stellst Dir vor, was Dir im schlimmsten Fall drohen könnte. Das sind nur Vorstellungen, die zwar ihren Grund in deiner Erkrankung haben und die deshalb sich Dir nachvollziehbar aufzwingen. Aber der Vergleich mit deiner Mutter ist eben nur ein Vergleich, nicht deine Wirklichkeit, nicht dein Leben, nicht dein Krankheitsweg. Und die Vorstellungen über deine Zukunft sind nur Fiktionen, so berechtigt sie sein mögen, ihre Wirkung auf dich und dein Leben jetzt ist im Augenblick zu stark. Sie machen Dir Angst und die Angst lähmt dich noch zusätzlich.
        Diese Sicht auf deine Situation hilft Dir jetzt nicht wirklich weiter. Sie führt wieder nur zu Fragen, nämlich: wie kannst Du dein Leben jetzt gegen deine Zukunftsvorstellungen und Befürchtungen stärken und es in den Vordergrund stellen? Was würde Dir helfen, dich nicht mit deiner Mutter zu vergleichen? Was meinst Du?

        Du schreibst, deine Kinder könnten sich betrogen fühlen. Vorhergehend entwirfst Du noch einmal beängstigende Zukunftsvorstellungen. Gibt es dafür jetzt Anzeichen, dass es bald so kommen könnte? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich deine Kinder tatsächlich betrogen fühlen würden? Mit was würden sie denn betrogen werden?

        Dein Schreiben lässt mich so viele Fragen formulieren, weil Du so viele Antworten gibst, auf Lebenssituationen, die noch nicht eingetroffen sind. Im Augenblick eilst Du Dir soweit voraus, dass es Dir selbst unmöglich wird, eine passende Antwort auf deine jetzige Situation zu finden.

        Ich glaube nicht, dass sich deine Kinder in irgendeiner Hinsicht betrogen fühlen würden. Sie wissen jetzt schon, dass eine Krankheit vorliegt. Sie werden ahnen, dass es auch sie selbst betreffen kann. Es geht also nicht wirklich um die Weitergabe von Informationen. Es geht nicht darum, was Du ihnen sagst. Es geht vielmehr um das Gefühl dazu. Wie stehen sie zu Dir, wenn Du ihnen etwas sagst, das ist aus meiner Perspektive die Frage, die dich hemmt, über dich mit ihnen zu sprechen. Und, was meinst Du, wie würden sie sich Dir gegenüber verhalten, wenn Du mit ihnen über deine Krankheit sprichst?
        Wie es deinen Kindern irgendwann mal gehen wird, kannst Du ihnen übrigens gar nicht sagen. Niemand kann das. Du musst ihnen also nicht die Zukunft ausmalen, vielmehr erschiene es mir sinnvoller, wenn Du es schaffen könntest, mit ihnen über dein Leben jetzt (heute und morgen, nicht das in 5 Jahren) zu sprechen.

        Stark sein in deiner Situation, das heißt aus meiner Sicht, nicht die Schwäche verbergen, sondern die Schwäche zeigen können. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft dafür.

        Liebe Grüße
        Guido

        Kommentar


          #5
          Promm.wie sag ichs den Kindern

          Hallo Marlie,ich kann Guido nur bei pflichtend du mußt dich für nichts entschuldigen.Auch du bist eine Tochter/Kind die die Krankheit von der Mutter genetisch vererbt bekam,hattest du eine Wahl?Fühlst du dich betrogen?Ich habe die Krankheit promm von meiner Mutter geerbt. Nach der diagnose waren meine Gedanken auch bei meinen Kindern ,was ist wenn?Aber ich habe kein Einfluss darauf,leider.Meine Tochter weiß Bescheid und kann mit 18 Jahren selbst endscheiden ob sie sich testen lassen will.Sie sieht wie es meiner Mutter und mir geht,das kann ich nicht verbergen.Mein Sohn ist erst 8 Jahre und noch zu jung um das ganze zu verstehen.Ich wünsche dir viel Kraft und denke nicht daran ,was ist in ? jahren,wie geht es mir dann.Sondern versuch dein Leben zu leben DU SCHAFFST DAS Lg jäkkel

          Kommentar


            #6
            Lieben Dank für Eure Antworten, Guido und jäkkel!

            Zitat von Guido Beitrag anzeigen
            Ob dich das Schicksal deiner Mutter heimsucht, glaube ich nicht. Alle Voraussetzungen sind andere.
            So anders sind die Voraussetzungen nicht. Damals war ihre Erkrankung noch unbekannt, die (Verlegenheits-)Diagnose lautete lediglich Polyneuropathie. Alternativen wurden diskutiert und verworfen. Ich habe ihre Arztberichte von damals, die sich sehr ähnlich zu meiner Geschichte lesen. Vom ersten Sturz bis zur Intensivstation dauerte es bei ihr 2 Jahre...

            Zitat von Guido Beitrag anzeigen
            Was würde Dir helfen, dich nicht mit deiner Mutter zu vergleichen? Was meinst Du?
            Was mir helfen würde, wäre eine wirksame Therapie oder zumindest die Aussicht auf einen friedlichen, selbstbestimmten Tod. Beides sehe ich nicht wirklich vor mir liegen. Da müssen wir jetzt aber auch nicht näher drauf eingehen. Meine primäre Baustelle sind momentan die Kinder (so erwachsen sie auch sein mögen). Wenn die "abgearbeitet" ist, kann ich mich ganz mir widmen.

            Zitat von Guido Beitrag anzeigen
            Du schreibst, deine Kinder könnten sich betrogen fühlen. Vorhergehend entwirfst Du noch einmal beängstigende Zukunftsvorstellungen. Gibt es dafür jetzt Anzeichen, dass es bald so kommen könnte?
            Ja, betrogen um die Zukunft oder um die Wahrheit, je nachdem. Bei meinem Sohn gibt es bisher keine Symptome, bei meiner Tochter jedoch sehr wohl. Sie hat schon eine sehr schlimme Krankengeschichte hinter sich, unabhängig von Muskelerkrankungen.
            Wahrscheinlich bin ich ein etwas übergroßes Muttertier, das noch zu viel Anteil nimmt. Ich schaffe es nicht, meine Kinder so zu sehen, wie ich die Kinder meiner Nachbarin sehen würde. Soll heißen, mir fehlt der Abstand, ich kann nicht schützend eingreifen. Das ist wohl mein eigentliches Problem, das ich irgendwie angehen sollte...

            Zitat von Guido Beitrag anzeigen
            Im Augenblick eilst Du Dir soweit voraus, dass es Dir selbst unmöglich wird, eine passende Antwort auf deine jetzige Situation zu finden.
            Typisch für mich!

            Zitat von Guido Beitrag anzeigen
            Stark sein in deiner Situation, das heißt aus meiner Sicht, nicht die Schwäche verbergen, sondern die Schwäche zeigen können. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft dafür.
            Du hast soo Recht, das wäre mein Rat an jeden, der so rumeiert wie ich. Danke! Ich sehe mein Problem jetzt etwas klarer (s.o.)


            Zitat von jäkkel Beitrag anzeigen
            Auch du bist eine Tochter/Kind die die Krankheit von der Mutter genetisch vererbt bekam,hattest du eine Wahl?Fühlst du dich betrogen?Ich habe die Krankheit promm von meiner Mutter geerbt. Nach der diagnose waren meine Gedanken auch bei meinen Kindern ,was ist wenn?Aber ich habe kein Einfluss darauf,leider.
            Stimmt, so habe ich das nie gesehen. Ich hatte immer ein sehr schlechtes Verhältnis zu meiner Mutter. Aber um meine Zukunft betrogen fühle ich mich nicht, ich habe halt Pech gehabt.
            Danke jäkkel, das hilft, es mal aus der anderen Sicht zu sehen! War diese Einstellung bei Dir von Anfang an da oder konntest Du sie Dir irgendwie erarbeiten?

            Bist Du Mutter oder Vater? Wie geht es Dir bzw. Deiner Mutter?
            Zuletzt geändert von Marlie; 07.05.2012, 15:59.

            Diagnosen: PROMM/DM2 u. Polyneuropathie

            Kommentar


              #7
              Hallo Marlie,

              ich glaube nicht, dass eine Mutter ihre Kinder jemals so sehen kann, wie die Kinder der Nachbarin. Das wäre ja schon komisch. So weit wirst Du also gar nicht Abstand nehmen müssen. Im Grunde musst Du überhaupt keinen Abstand einnehmen, sondern eher noch den Abstand zu deinen Kindern verringern und mal ganz genau hinschauen, was sie für Menschen sind. Ich denke, sie sind schon ausreichend selbständig und differenziert in ihrem Denken, dass sie Dir nicht irgendwie unterstellen, sie um ihr Leben, ihre Zukunft oder irgendwas anderes betrogen zu haben.

              Du schreibst, dass Du bezüglich deiner Kinder nicht schützend eingreifen kannst. Ich glaube, darin liegt viel Wahrheit, wenn Du es auf die Krankheit beziehst. Natürlich wirst Du als das übergroße Muttertier deine Kinder lange Zeit mit allen Mitteln geschützt haben. Das werden sie wissen. Aber hier, was die Krankheit angeht, erfährst Du diesbezüglich eine Ohnmacht. Davor schützt alle Muttermagie nicht. Und das wird deine größte Schwäche vor deinen Kindern sein, die Dir noch mehr zusetzt, als deine eigene körperliche Schwäche. Dies ihnen zu sagen, dass Du sie vor der Krankheit nicht schützen kannst, ist das, was Du Dir und ihnen gegenüber eingestehen müsstest. Und ich glaube, niemand würde dich dafür verurteilen. Zumindest gäbe es keinen rationalen Grund dafür.
              Könntest Du Dir vorstellen, dass Du deinen Kindern von deiner Krankheit erzählst und es liefe richtig gut zwischen euch ab? Wie sähe das aus?

              ---

              Es ist natürlich Dir vorbehalten, wie Du die Vergleichbarkeit zwischen dem Fall deiner Mutter und deinem Fall einschätzt. Ich kann nur von meinen Hintergünden und meinen Erfahrungen schreiben. Da ist es in der Regel so gewesen, dass selbst die familiären Fälle sich eher nicht gleichen. Aber imgrunde ging es mir auch nicht nur um die Vergleichbarkeit von medizinischen Fakten, sondern um die Vergleichbarkeit von Persönlichkeit und Lebensituation. Ich nehme an, dass deine Persönlichkeit sich nicht voll mit der deiner Mutter decken wird und ebenso wenig deine Lebenssituation mit ihrer. In dieser Sicht sind die Voraussetzungen auch bei Dir sicher andere. Dein Leben lässt sich nach meiner Ansicht nicht auf medizinische Fakten reduzieren, da bliebe zu wenig übrig.

              Einen friedlichen selbstbestimmten Tod können wir haben. Das hängt nicht von einer Erkrankung ab. Hier spricht meines Erachtens eher wieder die Angst, die Dir aus der Sterbeerinnerung deiner Mutter erwächst.
              Wir alle haben hier dieses Thema, das Sterben, der Tod. Das bringen solchen Erkrankungen mit sich. Auch die Muskelkrankheiten, die nicht zu einer kürzeren Lebenserwartung führen, zwingen vielen Erkrankten dieses Thema frühzeitig auf. Mit der Diagnose spüren wir sozusagen täglich das Sterben an uns. Dennoch hindert dieses Spüren uns nicht, weiter zu leben, ja sogar das Leben noch zu intensivieren. Meine persönliche Erkenntnis aus dem Spüren des Sterbens an mir ist, dass das Sterben im Leben seinen Platz hat. Jetzt wird gelebt und in diesen Leben haben das Spüren des Sterbens, Sterbensgedanken und Vorbereitungen für das Sterben, wie man sich es wünscht, durchaus ihren Platz.
              Es ist dabei ein Unterschied, ob man aus einer Befürchtung heraus auf sein Sterben blickt, oder aus einer planenden Sorge um sich selbst. Das Letztere ist wesentlich angenehmer und schafft Platz für Gefühle, Gedanken und Vorbereitungen. Eine Vorbereitung diesbezüglich wäre zB eine Patientenverfügung. Das verlangt nach Zeit, Geduld und die Beteiligung anderer.

              Und, was meinst Du, wie würden deine Kinder reagieren, wenn Du ihnen von Dir erzählst?

              Liebe Grüße
              Guido

              Kommentar


                #8
                Hallo Guido, danke, dass Du Dir so viele Gedanken machst, um mir zu helfen!

                Ich habe Deinen Beitrag gestern zwei Mal gelesen und dann sacken lassen, ich schreibe jetzt aus dem Bauch zurück, ohne nochmals gelesen zu haben. Aber Du hast mir geholfen!

                Meinen Sohn habe ich gestern zufällig alleine erwischt. Er studiert und wohnt überwiegend bei seiner Freundin, insofern war das ein glücklicher Zufall. Ich erzählte ihm, dass meine Muskelschwäche sehr wahrscheinlich eine Erbkrankheit als Ursache habe, von der er aber - wie es sich momentan darstellt - eher nicht betroffen sein wird. Wenn meine Diagnose stünde, würde bei ihm wohl ein Gentest ausreichend sein. Mit der Info ist er erstmal zufrieden, die Fragen werden wohl mit der Zeit kommen.
                Er kennt ja nur meinen Ist-Zustand, über mögliche Folgen haben wir nicht gesprochen. Er mag nicht zugetextet werden, aber er wird sich Gedanken machen.
                Obwohl das nun nicht gerade eine Aussprache war, besteht trotzdem eine gewisse Klarheit, die es mir leichter macht, ohne sein Gemotze bei "Kleinigkeiten" um Hilfe zu bitten. Das allein ist schon eine Erleichterung!

                Schwieriger wird es mit meiner Tochter, da sie offenbar auch betroffen ist. Aber wenn mir vor 30 Jahren jemand gesagt hätte, dass es erst in 25-30 Jahren - wenn überhaupt - zu Einschränkungen kommen könnte, hätte ich das wohl nicht als schlimm empfunden. Für Leute Anfang 20 sind ü50-Jährige eh alt . Als Softwareentwicklerin kommt es bei ihr ja auch in ferner Zukunft nicht auf körperliche Hochleistung an, das wird schon alles passend werden.

                Heute kam übrigens endlich der Termin für die DKD. Ab dem 18.06. muss ich an drei Tagen teilstationär untersucht werden, u.a. Lumbalpunktion . Aber danach werde ich dann hoffentlich bald Klarheit haben.

                LG Marlie
                Zuletzt geändert von Marlie; 08.05.2012, 14:37.

                Diagnosen: PROMM/DM2 u. Polyneuropathie

                Kommentar


                  #9
                  Liebe Marlie,

                  belohne dich!! Du hast eine schwierige Hürde genommen. Das freut mich sehr für dich. Und ich habe Lachen müssen, wie Du von deinem Sohn schreibst. Ich sah mich selbst wieder. Mit 20, verstockt, verbohrt, motzig. Sei froh, dass er bei seiner Freundin wohnt.

                  Das Gefühl deiner Entlastung ist aus deinem Schreiben auf schönste Weise herauszulesen. Nun weißt Du, nein, Du spürst an Dir, was ein paar Worte bewirken können, wieviel Last sie Dir nehmen können und wieviel Kraft Du dardurch wieder für dich finden kannst.

                  Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Dir das Gespräch mit deiner Tochter mehr Sorgen bereitet. Mache es so, wie bei deinem Sohn, warte einen günstigen Moment ab, einen Moment, der Dir hilft, dich ihr gegenüber zu äußern. Oder Du schaffst Dir und ihr diesen Raum, indem Du ein Treffen mit ihr arrangierst. Eben, wie es für dich das Beste ist. Mache es aber bald. Nicht das Dir dein Sohn zuvor kommt.

                  Der Beruf deiner Tochter wird ihr erhalten bleiben, egal was passiert. Das ist doch richtig gut. Auch dies ist sicher etwas, was Dir Druck und Last nehmen wird.

                  Ich muss Dir nichts mehr wünschen, sondern nur noch schreiben: weiter so!

                  Liebe Grüße
                  Guido

                  Kommentar

                  Lädt...
                  X