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Sexualität

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    Sexualität

    Hi Leute,

    ich wollte einen Erfahrungsautausch über Sexualität mit unserer Behinderung in Gang bringen. Leider ist es ja leider ein Thema, mit dem man nich behinderten schlecht reden kann. Deshlab wäre auch mal nett zu Wissen wie andere ihre Sexualität ausleben. Andererseits können wir uns auch über Probleme unterhalten.

    Ich bin 27 Jahre alt und lebe jetzt seit 2004 meine Sexualität aus. Bis dahin hatte ich gehofft über eine richtige Beziehung irgendwann Sex zu haben. Da sich jedoch Behinderung langsam aber stetig verstärkt, entschloss ich mich Sex mit einer Prostituierten zu haben, bevor ich irgendwann aus physischen Gründen nicht mehr dazu in der Lage bin. Seit dem besuche ich alle zwei bis drei Monate ein Bordell oder bestell eine Frau nach Hause. Zwar habe ich immer ein wenig Gewissensbisse, aber der Sex tut mir körperlich und seelisch meistens sehr gut.

    In letzter Zeit merke ich jedoch, das ich teilweise Probleme mit der Erektion habe. Ist es bei euch genauso und was tut ihr dagegen? Kann Viagra helfen, oder ist es bei unserer Krankheit zu gefährlich? Vielleicht gibt es ja auch Alternativen von denen ich noch nichts weiss.

    Ich würde mich über viele Antworten ob dieses Thema sehr freuen.

    Ciao Michael

    #2
    Hallo Michael,

    deine Offenherzigkeit ist ja sehr erfrischend. Ich befürchte jedoch, ein wenig zu offensiv, als dass hieraus eine Diskusion entstehen könnte. Aber möglicher Weise irre ich mich und dein Vorgehen wird mit vielen Antworten belohnt. Ich wünsche es Dir.

    Ich glaube allerdings, dass die Begriffe >Sexualität< und >Behinderung< beide sehr weitreichende Felder sind, wo erstmal ausgiebiger geklärt werden müsste, worüber jetzt eigentlich geredet werden soll. Sexualität beschränkt sich nicht nur auf Sex. Dieser ist nur eine Funktion der Sexualität, gleichwohl eine wichtige. Und es scheint jetzt ein wenig so, als wolltest Du über das Erleben und Ausleben dieser speziellen Funktion mehr wissen. Insbesondere im Hinblick auf Behinderung, welcher Begriff in deiner Erzählung überhaupt nicht näher beschrieben wird. Ich gehe jedoch mal davon aus, dass nicht alle Behinderten gleichzeitig ein Problem mit ihren Sexualfunktionen haben. Überhaupt hängen die beiden Begriffe nicht notwendig zusammen, da auch Menschen ohne Körperbehinderung eine gestörte Sexualfunktion erleiden können.

    Im Grunde interessieren auch erstmal nicht die Praktiken, die Du für dich gefunden hast, um deine Sexualität, bzw. dein Bedürfnis nach Sex, auszuleben. Sondern recht eigentlich interessiert mich erstmal, warum Du glaubst, dass bei Dir Sexualität und Behinderung irgendwie zusammenhängen. Das heißt, Du müsstest schon ein bisschen mehr von Dir schreiben, z.B. was nun an deiner Behinderung dich bewogen hat, das Angebot von Prostituierten zu nutzen. Wie hängt das zusammen? Die Begründung, die Du hierfür angibst, nämlich irgendwann später physisch dafür nicht mehr in der Lage sein zu können, ist keine Begründung, die dein Handeln aus deiner gegenwärtigen Situation heraus beschreibt. Deine Begründung beschreibt eher eine Angst vor deiner körperlichen Zukunft. Was die allerdings mit der Fortpflanzungsfunktion zu tun hat, erklärt sich jetzt erstmal nicht. Deine Behinderung erscheint so als ein Vorwand, über den Du es Dir gestatten kannst, deine sexuellen Phantasien auszuleben. Auch schön.

    Das ist nicht als Kritik gemeint. Lebe, wie Du kannst. Und wie gesagt, ich bewundere deine Offenherzigkeit. Aber in meinen Augen ist Sexualität und Behinderung ein Thema, welches sich nicht gut über entblösste Gedanken darstellen lässt. Im Gegenteil, Sexualität hat mit Intimität zu tun und Intimität mit Verhüllung. Sprachlich und bildlich findet das eine Analogie in der Andeutung, ebenso wie die Entblössung ihre Analogie in der Pornografie findet.

    Aber das sind nur meine Gedanken dazu und sie stellen keine Kritik an deinem Schreiben dar. Nur eine Gegenposition.

    Falls Du eine Muskeldystrophie hast, sind mir keine Einschränkungen der Sexualfunktionen in Bezug auf den muskeldystrophischen Prozess bekannt. Aber eine Muskeldystrophie ist natürlich immer mehr, als nur ein Abbau von Muskelgewebe. Es können sich über die Grunderkrankung weitere organische und psychische Belastungen ergeben, die sich durchaus auf die Sexualfunktionen auswirken können. Gerade die Auswirkungen der psychischen Belastung (zB. Angst vor dem physischen Abbau) kann zu Störungen der Sexualfunktionen führen.

    Liebe Grüße
    Guido
    Zuletzt geändert von Guido; 16.09.2008, 00:34.

    Kommentar


      #3
      Hallo Michael,

      was mich mal so als erstes interessieren würde, welche Muskeldystrophie hast du denn und warum verhindert diese Behinderung eine Beziehung???

      In einigen Teilen muß ich Guido Recht geben ... ich denke auch, dass du die Behinderung als Vorwand benutzt, um dir selbst gegenüber die Inanspruchnahme einer Prostituierten zu Rechtfertigen.
      Ich denke nicht, dass man(n) dazu eine Rechtfertigung nötig hätte.
      Der Vorteil der Intelligenz besteht darin: Sich dumm stellen zu können. Das Gegenteil ist weitaus schwieriger.

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        #4
        Antwort

        Hallo Heike und Guido,

        ich leide an Duchenne Muskeldystrophie. Also, ich habe nicht gesagt, dass mich meine Behinderung daran hindern würde, eine Beziehung einzugehen. Es ist halt schwerer eine Frau zu finden, die darüber hinweg sieht. Ausserdem gebe ich es ja nicht auf eine Partnerin zu finden, weil ich zu Prostituierten gehe. Natürlich weiss ich auch, das die Sexualität in der idealen Form Liebe dazu gehört. Aber deshalb kann ich das rein körperliche Bedürfnis nicht ignorieren. Denn ehrlich gesagt bin ich jung und will auch meinen Spaß haben. Bevor ihr einen Einwand erhebt! ich weiss, dass man auch Spaß auch ohne Sex haben kann.

        Noch eine Sache zu dir Guido. Meiner Meinung nach gehört gerade dieses Thema in das Forum. Sexualität und Behinderung ist halt ein spezielles Thema, bei dem Menschen in der selben Situation ihre Erfahrungen und Fragen austauschen sollten. Nichtbehinderte können sich in die Lage nie 100% hinein versetzen. So wie ich dich verstanden habe, sollten sich auch Behinderte nicht darüber austauschen.

        Vielleicht hast du in dem Punkt recht Guido, dass ich ein wenig Angst habe in Zukunft rein physisch nicht in der Lage zu sein Sex zu haben. Ich glaube, dass mir das auch keiner verübeln kann. Dennoch schiebe ich meine Behinderung nicht als vorwand vor. Ich stehe dazu, dass ich Prostituierte besuche und Punkt.

        Ciao Michael

        Kommentar


          #5
          Hallo Michael,

          deine Offenherzigkeit finde ich toll, das meine ich schon so. Ebenso meine ich, wie Du, das Sexualität und Behinderung auf jeden Fall ein Thema für dieses Forum ist. Ich begrüße jeden Beitrag dazu und vielleicht habe ich mich etwas zu verschwurbelt ausgedrückt, dass bei Dir die Meinung entstehen konnte, ich fände dies nicht.

          Es ist schön, wenn Du von Dir erzählst und so offen deine Probleme schilderst. In deinem ersten Beitrag fehlten nur ein paar wichtige Informationen, die dich den Lesern deines Beitrags näher gebracht hätte - und umgekehrt. Jetzt hast Du einen Teil nachgeliefert und erziehlst damit auch gleich ein größeres Verständnis für deine Situation.
          Ich kann deine Schritte in Bezug auf Sexualität jetzt besser nachvollziehen und sie auch als Ausdruck deiner gegenwärtigen Situation begreifen. Das war mir nach dem Lesen deines ersten Beitrags nicht möglich.

          Ich möchte deine Lösungen auch nicht moralisch bewerten. Es steht jedem frei, ein professionelles Angebot anzunehmen. Es gibt diese Angebote auch über Sexualberatungen ganz öffentlich für Menschen mit Behinderungen. Es werden also zB. Workshops angeboten, für Menschen mit Behinderung, die ihre Sexualität nicht oder nur schwierig erfahren können. Das hast Du nun schon ganz allein für dich realisiert, dazu gehört viel Mut.

          Lebe dich also aus. Ich finde das gut. Mir ging es eher um die sprachliche Darstellung des Themas. Ich schreibe einfach anders über Sexualität, als Du es machst. Das Direkte deiner Worte trifft knallhart auf mein Empfinden. Ich verschwurbel lieber meine Worte, in der Hoffnung, dass sie nicht so knallhart beim Leser eintreffen. Aber vielleicht muss man manchmal auch harte Worte finden und als Leser diese aushalten.

          Ich verübel Dir deine Lösungen also nicht, selbst dann nicht, wenn sie aus einem Vorwand heraus stattfänden. Es ist eine große Schwierigkeit für alle Menschen mit einer Behinderung, ob diese nun körperlich oder geistig oder sonstwie ist, ihre Sexualität trotz Behinderung zu leben.
          Deine Erkrankung sollte allerdings nicht dazu führen, dass Du physisch nicht mehr in der Lage wärst, Sex zu haben. Die Sexualentwicklung ist laut Lehrmeinung bei MD Duchenne normal. Allein die Ausübung wird passiver. Aber das ist ja insofern kein Problem, als dass sich professionelle Angebote sicherlich auch zuhause einrichten lassen.

          Ich möchte dich noch um Verzeihung bitten. Meine Überlegung bezüglich des Vorwandes und der Angst waren aus Unkenntnis über deine Lebensituation sicher zu voreilig.

          Ich wünsche Dir noch viele gute Zuschriften und Stunden voller Spaß.

          Liebe Grüße
          Guido

          Kommentar


            #6
            Hallo Michael,

            schön, dass du gleich nochmal geantwortet hast.

            In Bezug auf deine Aussage Es ist halt schwerer eine Frau zu finden, die darüber hinweg sieht. überlege ich, ob man das wirklich so allgemein stehen lassen kann/sollte.
            Ich kann ja nur für mich und meinen Partner reden, aber ich empfinde die Situation eher andersrum.
            Ich bin mit meinem Freund jetzt etwas über 2 1/2 Jahre zusammen und vor knapp einem Jahr wurde bei mir die Diagnose FSHD gestellt.
            Mein Freund steht absolut zu mir und plant auch unsere gemeinsame Zukunft ... die Zweifel kommen eher von mir!
            Ich habe dann solche Gedanken wie: Kann ich ihm das nach so einer kurzen Beziehung schon zumuten? Schließlich waren wir erst 1 1/2 Jahre zusammen, als die Diagnose gestellt wurde. Werde ich ihm irgendwann lästig werden? Er ist agiler und mobiler als ich, wird es ihn nicht irgendwann stören, dass ich ihn quasi hemme?

            Was ich damit sagen will: Ich möchte niemandem (schon gar nicht meinem Freund) zur Last fallen und habe deshalb auch ernsthaft überlegt, die Beziehung zu meinem Freund zu beenden! Obwohl (oder gerade weil) ich ihn liebe.

            Kann es nicht bei vielen chronisch Kranken (egal ob nun im Bereich der Muskelschwäche oder sonstigen Behinderungen) ähnlich sein, dass sie also, wenn sie solo sind, eine/n mögliche/n Partner/in unbewusst auf Distanz halten, um nicht das Gefühl zu haben, jemanden zu belasten?

            Liebe Grüße
            Heike
            Der Vorteil der Intelligenz besteht darin: Sich dumm stellen zu können. Das Gegenteil ist weitaus schwieriger.

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              #7
              Hallo Michael,
              ich glaube ich weiß was du meinst mit dem das du Angst hast das es einmal physisch nichtmehr so klappt mit der Sexualität. Aus meiner eigenen Erfahrung geht es so richtig nur noch im Rollstuhl, falls es das Mädel oder der Rollstuhl aushält. Ich hatte nur einmal ne richtige Beziehung mit 25 (2004 - 2005) 1,5 Jahre Fernbeziehung, da war ich superglücklich und vergaß fast das ich Duchenne MD habe.
              Irgendwie fällt es mir schwer daran zu glauben, dass ich wieder eine liebe Freundin finde.
              Ich wüßte nicht ob ich wenn ich ein nichtbehindertes Mädel wär ob ich mich auf Jemanden mit körperlicher Behinderung einlassen wollen würde. Echt schwer daran zuglauben das es irgendwo auf der Welt eine gibt der es scheißegal ist wie man körperlich drauf ist. Leider kommt es beim ersten Eindruck oft auch aufs Aussehen an bzw. auf den Body! Denken manche vielleicht"oh bei dem geht bestimmt nix im Bett"? Ich bild mir sowas oft ein das sowas oft gedacht wird. Ich denke da glaube ich zu negativ.
              Gehts dir da gedanklich ähnlich Michael?
              Man/ich denk-e/t einfach zuviel negativ, das blockiert mich nur. :-)
              so fertig! ciao Matze(ich bin 29)

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                #8
                Was ist los, ist das Thema jetzt eingeschlafen? Das finde ich ehrlich gesagt sehr sehr schade. Das Zitat"Leider ist es ja ein Thema, mit dem man nich behinderten schlecht reden kann." ist absolut nicht realistisch. Man kann sehr wohl auch mit Nichtbehinderten über dieses Thema reden. Es gibt ja Nichtbehinderte die über dieses Thema schon einmal nachgedacht haben oder gar schon Erfahrungen mit Behinderten gemacht haben.
                Gruß Matze
                Zuletzt geändert von Matze_Stuttgart; 21.09.2008, 23:28.

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                  #9
                  Hallo Matze,

                  also ich habe Michaels Satz anders verstanden, und zwar so, das schlecht zu reden sei über Sexualität mit Menschen, die eine Behinderung haben. Nach dieser Lesart kann ich Michael nur beipflichten. Das Thema Sexualität erscheint für viele Menschen mit Behinderung in jeder Hinsicht problematisch zu werden. Das ist schon an den wenigen Einträgen hier zu erkennen, in denen ein spezifisch wunder Punkt angesprochen wird. Nämlich die Attraktivität des eigenen Körpers. Die Selbstverständlichkeit, in der die eigene körperliche Attraktivität ungezwungen sich mitteilen kann, ist bei Menschen mit körperlichen Behinderungen offenbar mit einer Scham belegt. Es steht vor jeder Äußerung zur Sexualität eben diese Scham, die jeder für sich überwinden muss, um zum Thema etwas beitragen zu können, selbst wenn es sich nur um geschriebene Wörter handelt.

                  Diese Scham zu überwinden, kann man nicht einfordern. Ich sehe in der Scham auch keinen Ausdruck eines negativen Denkens über sich selbst, sondern eher ein ganz hartes Aufschlagen des eigenen Anblicks in Bezug zu den Ideal- Körperbildern unserer Kultur. Wir sind ja nicht freigestellt vom Wunschbild, attraktiv für andere und auch für uns selbst zu sein.

                  Es lagert sich also etwas vor die Sexualität, ein Schutzraum aus Scham, da ein Bedürfnis nach Schutz vor dem eigenen Körper bezüglich seines Bedürfnisses nach Sexualität besteht. Denn es ist ja das Offensichtlichste, dass gerade in der Sexualität das Körperliche und der Körper massiv auftaucht und eingesetzt wird.

                  Selbstverständlich gibt es Menschen ohne Behinderung, mit denen man über Sexualität und Behinderung reden kann. Meine Erfahrungen zeigen mir aber, dass die Folgen einer körperlichen Behinderung für die Sexualität eines Menschen in ihrer Tiefe von Menschen ohne Behinderung nicht gehört werden wollen. Ich kann das auch nachvollziehen; wer will freiwillig in einen solchen Abgrund schauen, in dem eine Aussicht auf Besserung nicht besteht?
                  Da zeigt sich auch der Unterschied von körperlich behinderten Menschen, deren sichtbarer Körper sich nicht bessert, und Menschen, die einen körperlich sichtbaren Makel haben, der aber mit der Zeit verschwinden wird/kann. Auch diese Menschen empfinden ja Scham über ihren Makel, aber sie wissen gleichzeitig, dass ihr Makel nicht bleiben wird/muss. Nicht umsonst rennen abertausende Menschen in Fitness- center. Unsere Kultur ist eben eine narzisstische Kultur, die ihre Sexualität stark an das Körperbild gebunden hat. Zum Leidwesen aller, die den Idealbilder nicht entsprechen können.

                  Ich sehe Sexualität also nicht nur als den Ausdruck eines persönlichen Lustgewinns, sondern auch als Ausdruck einer sozialen Beziehung, in der wir unsere Körper genießen, und als kulturelles, oder genau genommen ästhetisches Phänomen, in dem wir uns lieben. Überall dort tauchen unsere Körper auf. Aber das alles ist sehr weit weg von den konkreten Fragen, die Michael am Anfang des Themas stellte.

                  Liebe Grüße
                  Guido

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                    #10
                    Der Vorteil der Intelligenz besteht darin: Sich dumm stellen zu können. Das Gegenteil ist weitaus schwieriger.

                    Kommentar


                      #11
                      Antwort

                      Hi Matthias,

                      du triffst mit deiner erstn Antwort genau meine Ängste. Ich frage mich wirklich sehr oft, ob es eine Frau gibt, die über meine körperlich Behinderung hinweg sehen kann. Manchmal hoffe ich darauf, aber zu anderen Zeiten zweifel ich daran sehr stark.

                      Wie lebst du denn zur Zeit deine Sexualität aus?

                      Jetzt zu dem Thema Scham. Meiner Meinung nach wollen die meisten Leute einfach nicht über Behinderung und Sexualität im Zusammenhang reden. Es passt halt nicht in unsere körperbetonte Gesellschaft. Ausserdem finde ich es als Betroffener angenehmer darüber mit jemanden zu reden, der ebenfalls behindert ist. manche Probleme und Besonderheiten können nicht behinderte einfach nicht ganz nachvollziehen. Daraus will ich ihnen auch keinen Vorwurf machen. Unter den Behinderten sollte das Thema aber nicht ausgeklammert werden. Indem wir die falsche Scham bestehen lassen, machen wir uns nämlich zu minderwertigen Personen. Natürlich sollten konkrete Details dennoch privat gehalten werden, aber das Thema sollte schon generell diskutiert werden. Der gegenseitige Austausch hilft uns allen mit der Situation umgehen zu können. Deshalb hoffe ich, dass die Diskussion in diesem Forum nicht abbricht.

                      Ciao Michael

                      Kommentar


                        #12
                        schwieriges Thema...

                        Hallo,

                        sicher ist es nicht jedermanns Sache über seine Sexualität zu reden, zu mal noch in einer so öffentlichen Form und ohne seine Gesprächspartner zu kennen, aber ich bin auch der Überzeugung, dass uns das Thema mehr beschäftigt , als wir uns möglicherweise eingestehen wollen.

                        Mit meiner FSHD setze ich mich nun schon seit 30 Jahren auseinander und mit meiner Sexualität nicht viel weniger. Mir geht es da ähnlich wie Michael oder Matthias. Die Crux an der Sache dabei scheint mir, dass es oft bei uns Betroffenen (ich schließe mich ein) an Selbstwertgefühl mangelt. Wir lassen uns selbst zu sehr von diesem Körperkult, oder sollte man Fetisch sagen, gefangen nehmen. Jung, dynamisch, super Body...., tja, das sind Dinge, die ich nicht bieten kann, aber weswegen ich mir einrede, nicht liebenswert oder attraktiv genug für einen Partner zu sein. Ich bin nicht der Meinung wie Guido, dass das mangelnde Empfinden für die eigene Attraktivität eine Sache der Scham ist, sondern eher der Verletzbarkeit. Natürlich kann ich nur für mich sprechen. Ich jedenfalls merke, dass ich mir sehr schwer tue mit Menschen, die ich nicht kenne bzw. die mich nicht kennen. Wenn ich jemanden kennenlerne, dann spüre ich den Stress mich möglichst so zu geben, dass man nicht sofort bemerkt, dass bei mir etwas "nicht in Ordnung" ist. Ich kann nicht zwanglos körperlich werden, das muss gut "vorbereitet" werden und genau diese Verkrampfung oder Verletzlichkeit macht es schwer Beziehungen aufzubauen oder auch nur seine Sexualität auszuleben. Haben sich diese Momente aber ergeben, dann habe ich sie genossen und mir ging es dabei wie Matze, man vergisst die Welt um sich herum..., aber das ist auch der Unterschied, weshalb ich mir schwer tue, "nur" meine Sexualität zu befriedigen. Da muss einfach mehr dabei sein. Aber leider stellt sich nur allzu oft dieser "Teufelskreis" ein.

                        Gruss Max

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                          #13
                          Hallo Maxx,

                          die Scham erwächst aus der Verletzung der Körperform. Sie wird der Schutz gegen diese Verletzung. Und die Scham ist erstmal zu überwinden, sich in seiner Verletzung, und dadurch auch in seiner Verletzlichkeit, offen zu zeigen.
                          Jetzt gibt es prinzipell das Problem des Körperzeigens, nicht nur im Zusammenhang mit Sexualität. Früher, als ich noch Sport trieb, holte mich dieses Problem im Umkleideraum ein. Das hat nun nicht viel mit Sexualität zu tun. Mit dem Vergleichen der Körper in der Umkleidekabine entwickelte sich auch nicht das Gefühl der Scham über meinen Körper, sondern wegen den zum Teil abwertenden Blicken und dem abgrenzenden Verhalten anderer Personen das Gefühl einer Minderwertigkeit. Minderwertigkeit ist also in meinen Augen ein Gefühl, das aus Vergleichen herrührt, in denen es um Erniedrigung geht.
                          Man kann jetzt natürlich auch das Schauspiel in den Umkleideräumen der Welt im weitesten Sinne als sexuell intendiertes begreifen. Aber das mag ich jetzt einfach nicht.

                          Ich bin in meiner Sexualität jedenfalls nicht erniedrigt und ich wählte den Begriff Scham schon mit Bedacht für mich, da er, wie oben angedeutet, nicht mit Bewertungen von anderen zu tun hat, sondern mit einer spezifischen Selbstbewertung, die aus dem Problem der eigenen Körperform erfolgt, im Hinblick auf den eigenen Körper und seinen sexuellen Bedürfnissen.

                          Ich begreife die Scham auch nicht als einen undurchdringlichen Panzer, der mich einschnürte, sondern eher wie einen Schleier, der mir erlaubt, in den Situationen mich zu verbergen, in denen ich meine Attraktivität und Sexualität nicht bewertet wissen will, weder von mir, noch von anderen. Ein Schleier, der mir aber in anderen Situationen schon gestattet, mich zu enthüllen und offen zu zeigen, wenn denn eine Intimität vorliegt, in der ich meine Nacktheit zulassen kann.
                          Ich bin ganz froh, dass ich diese Scham besitze. Genau genommen ist sie selber nicht asexuell, sondern ganz im Gegenteil ein Ausdruck von Sexualität.

                          Liebe Grüße
                          Guido

                          Kommentar


                            #14
                            Hallo miteinander !

                            Um`s mal ganz "unverschwurbelt" auszudrücken: Jede Krankheit, jedes Anderssein ist ein Grund, sich in seinem Körper unwohl zu fühlen, das versteht und kennt hier sicher jeder.
                            Ich für meinen Teil hab vor ca. 15 Jahren den Entschluss gefasst, mich nicht mehr über die Blicke meiner Mitmenschen zu ärgern, vielmehr denke ich mir, dass ich sicher "auch schauen würde", es wird immer geschaut, ob einer dick, dünn, schön, hässlich...ist.

                            Und obwohl ich meinen Körper regelmässig verfluche und mir wünsche, er würde mir besser gehorchen, mag ich ihn trotzdem, ich finde ihn in manchen Positionen sogar schön, vielleicht ist es als Frau aber auch einfach leichter, eine Schwäche an sich zu akzeptieren und sich so anzunehmen, wie man halt nun mal ist? Und zum Thema Partner suchen/finden, haben es da nicht Männer mit einer Behinderung leichter, eine verständnisvolle Partnerin zu finden, als umgekehrt eine Frau, die sich einen Mann sucht, der sich dann "sowas" antun will??

                            Liebe Grüsse
                            Sandra



                            P.S. Ich hätte da noch eine Frage: Guido, lebst du eigentlich im Moment deine Sexualität aus??

                            Kommentar


                              #15
                              Hallo,

                              ich möchte noch was zu meinem Beitrag von gestern anmerken.

                              Vor ein paar Jahren- als ich noch nicht den Mut hatte, mich anderen Muskelkranken direkt "auszusetzen", habe ich mir das Buch eines jungen Mannes gekauft, der auch an Duchenne MD erkrankt ist. Es heisst ICH LEBE SEHR GERNE, Skizzen eines jungen schwerbehinderten Mannes.

                              Er beschreibt darin sehr offen und direkt seinen Lebenslauf, vom Kind, das noch alles machen konnte über den ersten Rollstuhl,aber auch die Pubertät mit den erwachenden Trieben... Diesen Thema zieht sich irgendwie fast wie ein roter Faden durch seine Geschichte, er beschreibt sehr offen und direkt, wie zuerst die "normalen" Mädchen erfolglos das Objekt der Begierde darstellten, später dann die Heimschwestern, schliesslich begnügte MANN sich damit, sich gegenseitig unter den Leidensgenossen manuell zu befriedigen, ängstlich darauf bedacht, nicht erwischt zu werden. Das waren aber alles immer nur Notlösungen, auch er träumte immer von einer normalen Beziehung zu einer Frau, die ihn halt so annimmt und gern hat, wie er ist...

                              Es hat mich damals sehr berührt, als ich seine Geschichte gelesen hab, ich hätte nie den Mut gehabt, so offen über das alles zu reden.

                              Lieber Michael, du hast jetzt doch schon ein paar Antworten auf deinen ersten Beitrag erhalten, ich wollte eigentlich auch schon früher was dazu schreiben, hab aber irgendwie keinen richtigen Anfang gefunden. Als ich dann gelesen hab, dass du an Duchenne erkrankt bist, ist mir die Geschichte von dem Buch wieder in den Sinn gekommen. Ich denke alle, die an einer Muskelkrankheit leiden, können sich mehr oder weniger in deine Bedürfnisse, Ängste und Gefühle hineinversetzen und trotzdem ist sicher keiner von denen, die jetzt geantwortet haben, doch so auf die "Tatkraft" des Partners angewiesen wie du.
                              Sich so jemand anderem anzuvertrauen und irgendwie auch auszuliefern braucht sehr viel Mut und Kraft, ich wünsche dir wirklich von ganzem Herzen, dass du doch noch eine liebe Freundin findest, die vielleicht nicht nur die Fassade interessiert sondern hinter die Kulissen schaut und dort sicher einen Menschen findet, der ihr viel geben kann, was ein gesunder Körper vielleicht niemals bieten könnte...

                              Liebe Grüsse und ein schönes Wochenende

                              Sandra

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